Gott wuerfelt doch 1
wollen“,
sagte Keller.
„Wie kommen Sie
eigentlich darauf, dass ich Konrad Landes heiße?“, fragte ich und täuschte
Ahnungslosigkeit vor.
„Waren Sie in den
letzten Jahren mal auf Kreta?“, fragte Keller ruhig. Es dämmerte mir. Man hatte
also Konrads Leiche gefunden. Verdammt, wie hatte das passieren können? Konrad
hatte mir versichert, dass die Männer, die ihn umgebracht hatten, es
verstünden, Leichen verschwinden zu lassen.
„Ja“, sagte ich
ärgerlich. „Was hat das mit Ihrem Verdacht zu tun?“
„Waren Sie alleine
auf Kreta oder in Begleitung?“, fragte der andere Polizist und setzte sich
breitbeinig auf einen Stuhl, wobei er die Rückenlehne als Armstütze benutzte,
legte sein Kinn auf die Hände und sah mich hart an.
Mir brach der
Schweiß aus. Sie hatten tatsächlich seine Leiche gefunden. Aber wie konnte das
sein? Nach so vielen Jahren würde nichts mehr von einer Leiche übrig sein außer
ihrer Knochen. Es war ein Bluff, ich musste mich jetzt entscheiden, weil ich
nicht vorbereitet war. Woher wussten sie das alles?
„Nein, ich weiß
nicht, wovon Sie da eigentlich sprechen!“, behauptete ich ein wenig unbeholfen.
Keller sah mich mit gespielter Verwunderung an. War es wegen meiner
Unsicherheit, weil er mir nicht glaubte, oder hielt er mich für einen
Schauspieler?
„Sie heißen Konrad
Landes und sind in die Bundesrepublik eingeschleust worden, und zwar im Mai
1988, ein Jahr vor der Wende also. Sie sind aufgewachsen in Berlin, und zwar im
Osten. Sie wurden groß gezogen von einer Krankenschwester. Sie haben gelernt, wie
ihr Zwillingsbruder zu leben und zu denken. Sie wurden ebenso erzogen und
bekamen eine ähnliche Ausbildung. Sie sind in die BRD gekommen, um ihren Bruder
zu ersetzen, den Sie im Sommer 1988 auf Kreta umgebracht und verscharrt haben.“
„Was? Ich?“, schrie
ich. „Sind Sie verrückt? Die haben ihn umgebracht, nicht ich. Mensch, reden Sie
keinen Blödsinn. Wieso hätte ich ihn umbringen sollen? Ich bin Walter Landes!
Konrad Landes ist tot, nicht Walter!“
„Sie kennen die
Gauck-Behörde, Herr Landes?“, fragte Keller ruhig.
„Natürlich, ich
habe davon gehört, kennen ist übertrieben, ich weiß, dass sie die alten Akten
des Ministeriums für Staatssicherheit aufbewahrt …“, erklärte ich, „ … und
auswertet!“, setzte ich resigniert hinzu.
„Die Gauck-Behörde
hat ihren Hauptsitz in Berlin, in vielen großen Städten der neuen Bundesländer
hat sie Nebenstellen. Man hat dort Akten und Asservaten gelagert, die man nach
dem Zusammenbruch der DDR gerettet hat, bevor Stasi-Mitarbeiter sie als Beweise
vernichten konnten. Es sind unglaubliche Sachen gefunden worden“, sagte Keller,
gespielt väterlich den Kopf schüttelnd.
Er steckte sich
eine Zigarette an. „Um einen Mann oder eine Frau einzuschleusen, haben sie oft
Leute parallel ausgebildet, sie brauchten zehn oder zwanzig oder mehr Leute. Oft
hat es nur einer von zwanzig geschafft, sich im Westen an wesentlicher Stelle
einzuschleusen, die anderen gingen hops oder wurden aufgedeckt oder kamen gar
nicht so weit. Der Aufwand aber schien aus eurer Sicht gerechtfertigt, wenn nur
einer von euch es schaffte.“
„Wieso euch?“,
protestierte ich laut.
Keller war
aufgestanden und wollte Eindruck mit seinen Kenntnissen schinden. „Kennen Sie
den Fall der Gabriele Gerst? Sie hat über Verwandte in der DDR damals einen
ostdeutschen Romeo kennen gelernt. Der hat die junge Frau dann ganz allmählich
über die Jahre infiltriert. Sie war erst in einem der CDU nahen
Forschungsinstitut beschäftigt, hat sich Einfluss verschafft und sich dann
irgendwann beim Bundesnachrichtendienst beworben – und sie ist genommen worden.“
Keller lachte. „Sie war jahrelang Top-Spionin für die Gegenseite. Erst 1990 ist
sie dann an der österreichischen Grenze festgenommen worden und sitzt jetzt im
Knast. Sechs Jahre hat sie gekriegt.“ Keller setzte sich wieder hin. „Ein gutes
Beispiel für die Wirkung der Beharrlichkeit. Jahrelanger Aufbau, die Chancen
sind gering, dass ein Spion was wird im Westen, aber dann, wenn es gelingt,
dann ist das ein großer Coup.“ Er schüttelte gelangweilt den Kopf und zog an
seiner Zigarette. „Aber was erzähle ich Ihnen das, Sie wissen das ja bestens,
nicht wahr, ähh … Konrad?“
„Hören Sie doch
endlich auf, Mann. Ich war das nicht, ehrlich!“, erwiderte ich. Es half nichts.
Sie wussten Bescheid über die Ereignisse, nur hatten sie ihre Schlüsse falsch
gezogen. Woher sie die
Weitere Kostenlose Bücher