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Gott wuerfelt doch 1

Gott wuerfelt doch 1

Titel: Gott wuerfelt doch 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Kreutzer
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sähen sie Hunden ähnlicher als
Affen. Die Mähne aber trugen sie von einem Löwen, und ihre Schwielen um den
Kopf erinnerten mich an betagte Damen mit steif gestärkten Krägen.
    Das rote Hinterteil
dieser Affen leuchtete bereits von weitem und war Respekt einflößend. Sie
rasten um den Felsen, jagten sich gegenseitig, schrien, brüllten und kämpften,
bleckten die Zähne, bäumten sich auf, gähnten laut und blieben plötzlich
sitzen, um sich gegenseitig zu entlausen.
    Weiser kam aus der
anderen Richtung, ging direkt auf mich zu und blieb neben mir stehen. „Das war
ja wohl nicht viel beim letzten Mal“, sagte er, ohne mich anzusehen. „Du
scheinst dich als Windei zu entpuppen, Konrad. Hast du was Neues?“ Seine Stimme
klang nicht aggressiv, eher ein wenig besorgt.
    „Nein Weiser, ich
habe noch nichts Konkretes. Lasst mir noch etwas Zeit. Ich werde euch das
nötige Material besorgen, ich bin nah dran.“ Meine Stimme war unsicher
geworden, ich verfluchte mich innerlich. Auf der anderen Seite fragte ich mich,
warum Weisers Ton gegenüber den ersten beiden Treffen sich verändert hatte. Er
musste selbst unter Druck geraten sein, man wollte von ihm Ergebnisse haben.
    „Hör zu Konrad“,
sagte er jetzt leise und bedrohlich, ohne von den Affen wegzusehen, „ich habe
das Gefühl, du hast zu viel Gefallen an deinen neuen Eltern gefunden. Am Ende
wirst du sogar emotional gebunden sein an sie. Und an das, was sie besitzen.
Ich habe dich und deine Eltern beobachten lassen. Wir sind seit drei Monaten
immer in eurer Nähe. Wenn du in einem halben Jahr immer noch keine Ergebnisse
hast, Konrad, könnte der Frau etwas zustoßen.“
    Ich packte ihn am
Arm. Er schlug mir kurz in die Rippen, und in diesem Moment spürte ich, dass
dieser Mann mir in jeder Situation körperlich überlegen sein würde. Der Schmerz
war kurz aber heftig. Ruhig sagte Weiser: „Du bist langsam geworden, Konrad.“
    „In Ordnung“,
keuchte ich schmerzvoll. „Ich werde mein Bestes tun!“ Ich hatte vergessen, dass
auch Konrad sehr gut ausgebildet gewesen sein musste und ärgerte mich über
meine Dummheit. Dieser Fehler hätte mich verraten können.
    „Siehst du, du bist
emotional an sie gebunden, du beginnst, diese Frau zu schützen. Das ist ein
Fehler, Konrad. Aber du bist bereits darauf hereingefallen. Denk daran, sie hat
dich im Stich gelassen, als du ein Baby warst.“
    „In sechs Monaten,
hier an derselben Stelle!“, befahl Weiser. „Du rufst an!“ Sein Blick hing
unverändert an den Pavianen, die sich nun vor uns aufgebaut hatten und Weiser
anzubrüllen schienen. Dann hielten sie inne, zuckten und liefen in beide
Richtungen auseinander.
    „Ich brauche mehr
Zeit!“, bat ich ihn, mit der linken Hand stützte ich mich am Geländer, mit der
rechten hielt ich mir die linke Seite.
    „Die hast du
gehabt. Noch sechs Monate! Dann aber will ich ein komplettes Dossier.“ Weiser
trat einen Schritt zurück, wandte sich ab und ging grußlos davon.
    Ich hatte Angst. Was sollte ich tun? Ich konnte mir noch
einmal etwas zusammenreimen. Aber Weisers Leute waren nicht dumm. Die DDR hatte
gute Wissenschaftler, und die würden einen Betrug entlarven. Das bedeutete für
mich, ich musste meinen Vater ausspionieren, wenn ich meine Mutter, meinen
Vater und mich schützen wollte. Ich beschloss jedoch, alles bis zum
letztmöglichen Moment hinauszuzögern. Vielleicht ergab sich in der Zeit der
nächsten Monate eine Gelegenheit oder ich würde von einem Geistesblitz
durchzuckt, der einen Ausweg verheißen würde.
    *
    Meine Verzweiflung
ließ mir kaum Raum für Ausflüchte. Ich stand in einer riesigen Verantwortung,
doch ich sah mich außer Stande, sie zu erfüllen. Je mehr die Sommermonate
vergingen, desto unruhiger wurde ich. Ich wurde rund um die Uhr beschattet. Ein
Gang zur Polizei oder einer anderen Behörde, und meine Mutter wäre ihres Lebens
nicht mehr sicher gewesen. Vater würden sie nicht anrühren. Der einzige Vorteil
meiner Lage: Von mir wurde erwartet, dass ich nach außen möglichst unauffällig das
Leben des Walter Landes leben sollte. Und das war es, was ich ja wohl am besten
konnte: mein Leben leben.
    Dann begannen die Menschen im Osten Europas Morgenluft zu
wittern. Die ungarische Regierung signalisierte mehr und mehr, dass sie nicht
mehr Teil des sowjetischen Imperiums sein wollte. Michail Gorbatschow hatte der
Welt - vor allem seiner eigenen - klar gemacht, dass die Zeit der Kälte vorbei
sei. Und die Menschen nahmen es an. Aus kleinen

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