Gotterbarme (German Edition)
augenblicklich.
»Ach ja, dann mal los. Hast du die Zahnbürste?«, stammelte sie.
»Ja, hier, in einer Plastiktüte, wie du gesagt hast«, Maja hätte sterben können für dieses Lächeln, aber jetzt wo es ernst wurde, zweifelte sie, ob sie das wirklich wollte.
Sie konnte nicht auf ihren Beinen gehen, die fühlten sich wie Kaugummi an, das letzte Mal hatte sie so ein Gefühl in den Beinen bei ihrer Hochzeit mit Martin.
Damals dachte sie, jeder bei ihrer Hochzeit würde ihr das anmerken, aber es ist niemanden aufgefallen, also ging sie einfach weiter, folgte dem Mann, den sie kaum kannte, aber liebte. Ein Wunder könnte sie jetzt noch retten, das Licht könnte jetzt wieder angehen und sie müsste nicht zu diesen Bestien. Der Tod ihres Sohnes brachte sie einige Monate ins Abseits, da wollte sie nicht mehr Leben. In diesem Augenblick wollte sie Leben, sie wusste, dass sie mit Hamp nicht zusammen sein konnte, dass er verheiratet war, aber sie wollte Leben.
Sie eilte mit ihm die Korridore entlang bis zum Ausgang. Toni und Darel standen mit herunterhängenden Schultern an der Pforte. Ein Glucksen unterbrach die angespannte Lage. Mary gefolgt von ihrem Herrenrudel gesellte sich zu ihnen. Sandra kam von einem anderen Abschnitt dazu. Paul, Fäller und Frank unterhielten sich, während sie auf die Gruppe zusteuerten. Alle herzten sich und Maja fühlte sich wie eine Leprakranke, bis Sandra sie innig umarmte.
»Hamp«, ein Mann mit kurz abgeschorenen Haaren, den Maja bisher nicht gesehen hatte, humpelte mit Krücken auf sie zu.
»Du darfst doch gar nicht aufstehen«, scherzte Hamp und lief den Unbekannten entgegen. Hamp wiegte den Mann wie ein Kind hin und her.
»Maja mein bester Freund Harry kommt sogar mit gebrochenem Bein.«
Hamp blickte sich in der Gruppe suchend um. Maja bemerkte, dass Martha gar nicht anwesend war.
»Wo sind die Kinder und Martha?«
»Sie wollte heute Morgen unbedingt zum Haus zurück, die Kinder sollten nicht wissen, dass du dein Leben riskierst. Ich wollte es dir sagen, aber ich musste es ihr versprechen«, sagte Darel und fuhr sich holprig durchs Haar.
Maja sah Hamps wässrige Augen. Sie verstand Marthas Ansicht als Mutter, den Kindern einen unnötigen schmerzvollen Abschied zu ersparen.
Darel legte seinen Arm um Majas Schulter. Seine Augen glänzten.
»Das ist echt mutig von Dir, die meisten hier würden sich das nicht zutrauen, und ich rede von den männlichen Mitgliedern unserer Gemeinschaft«, er sah sie eindringlich an, als wollte er etwas in ihrem Blick erkennen.
»Manchmal muss man im Leben was riskieren«, und wand sich aus seiner Umarmung.
Das Getuschel brach plötzlich ab, als David und Simon in Tarnanzügen meterhoch bewaffnet auf sie zu marschierten.
»Was soll das?«, Hamp klang verärgert.
»Wir kommen mit, da kannst du machen, was du willst. Ohne uns habt ihr nicht die geringste Chance da wieder raus zu kommen. Ich bin ausgebildeter Wächter«, sagte David mit stolz gefüllter Brust.
»Simon?«
»Wir haben lange überlegt, wenn einer verletzt wird, was dann? Wenn Stan verletzt ist, wie kriegt ihr ihn zurück? Wir gehen mit, wenn´s sein muss mit Gewalt«, er lud symbolisch das Gewehr und zielte auf Sandra.
Hamp klopfte ihnen auf die Schultern, sah Maja die mit Artus abseitsstand einladend an. Seine Mundwinkel zuckten und ein gequältes Lächeln kam zum Vorschein. Sandra warf Maja einen kummervollen Blick zu, drehte sich auf den Absatz um, klapperte mit ihren schwarzen Stiefeln den Korridor entlang in Richtung ihres Ateliers. Mary kicherte zum Schluss alle der Reihe nach an. Ihre faltige Haut schimmerte grün, wie ein Alien im Licht der Notbeleuchtung.
Sein Blick wanderte auf ihren makellosen Körper und hing an ihrer schmalen Taille. Ihre Angespanntheit bedrückte ihn, wie im Apartment wedelte sie den Qualm ihrer Zigarette aufgeregt zur Seite. Im Augenblick ging es um die Rettung seines Bruders Stan und der Strom wieder funktionierte.
Selten war er einer Frau begegnet, die so viel Mut hatte, so viel Herz für Menschen, die sie kaum kannte. Sie überraschte ihn täglich aufs Neueste.
Was jetzt aus >Under< werden würde, schwebte in der Ferne. Das Leben tausender Menschen würde von heute auf morgen in ein Chaos stürzen. Alle müssten >Under< sofort verlassen, seine Gedanken kreisten. David und Simon tuschelten und gingen voran durch die Stadt, hielten teilweise vor den verschlossenen Läden im Halbdunkel. Maja folgte mit Artus schweigend. Er blickte auf ihre
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