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Gottes blutiger Himmel

Gottes blutiger Himmel

Titel: Gottes blutiger Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fawwaz Hahhad
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dass sie die Organisation übergangen, sondern dass sie ihr offen den Krieg angesagt hatten. Diesen konnten sie dann höchstens noch abwenden, indem sie mich al-Qaida überstellten und sich entschuldigten. Aber warum sollten sie mich herschenken?
    Das Ende des Abends bestand in trockenem Brot und Gurken, die ich zu essen bekam. Der Dicke warf es mir auf den Boden und verkündete, dass sie jetzt jemanden gefunden hätten, der mich kaufen würde. Ich begriff, dass er mich deswegen nicht weiter verprügelte. Ich fiel in einen tiefen, wenn auch immer wieder unterbrochenen Schlaf und wachte erst auf, als ich ein Rumpeln an der Türe und von fern einen Ruf zum Mittagsgebet hörte. Ich erinnerte mich, dass ichmein Abendbrot nicht gegessen hatte, denn mittlerweile hatte man mir auch noch Frühstück hingestellt, das aus kaltem Tee, Käse und Brot mit Kakerlaken darin bestand. Meine Entkräftung hatte mein Zeitgefühl durcheinandergebracht.
2
    Kurz darauf oder einige Stunden später ging die Tür erneut auf. Mein Entführer kam in Begleitung eines Mannes herein, dem die Augen verbunden waren. Er nahm ihm die Augenbinde ab und trat mich mit dem Fuß. Ich setzte mich auf. Der zweite Mann hatte einen Vollbart und trug ein Jackett über einem Langgewand, und um Hüfte und Brust hingen ihm Patronengürtel. Eine Waffe hatte er jedoch nicht. Einen Moment dachte ich, er sei ebenfalls eine Geisel, aber warum sollten sie ihm dann die Munition gelassen haben? Der Mann nahm mich interessiert in Augenschein. Nein, er war kein Mitgefangener, sondern von einer Gruppe gesandt, die mich kaufen wollte. Die Augen waren ihm verbunden worden, damit er nicht sah, wo ich festgehalten wurde. Der Dicke gab ihm meinen Pass und meinen Passierschein für die Grüne Zone, der Mann sah sie sich bedachtsam an und verglich mein Gesicht mit dem Passfoto. Er musterte mich lange eingehend und rückte ganz nahe an mich heran, als wollte er mich beschnuppern. Dann hob er die Hand, hielt mir zwei gekrümmte Finger vors Gesicht und drehte sie hin und her, als wollte er mir die Augen herausreißen. »Bist du Muslim?«, fragte er mich. Ich nickte. »Dann bereite dich auf ein höllisches Ende vor«, sagte er. »Bete schon jetzt für deine dreckige Seele.«
    Er wandte sich an den dicken Entführer und vereinbarte mit ihm, mich morgen zu übernehmen. Der Dicke verbandihm wieder die Augen und führte ihn hinaus. Nach einer Weile kam er zurück und sagte, meine Käufer seien eine noch unbekannte Organisation, sie brauchten mich für ihre erste Aktion, bei der sie mich vor laufender Kamera ermorden wollten. Ich hatte aufrecht gestanden, aber jetzt wankte ich und torkelte nach hinten, der Boden schwankte unter meinen Füßen, meine Glieder zitterten und meine Zähne schlugen aufeinander. Mir schwanden die Kräfte. An die Wand gestützt, sank ich langsam zu Boden. Ich ergab mich einem Gefühl von Hammerschlägen auf meinen Kopf. In meinen Ohren dröhnte ein Echo, mit dem ich verschmolz.
    Ein Tag trennte mich also nur noch von meinem Tod, vielleicht zwei oder ein paar mehr. Der Käufer, der mir geraten hatte, für meine dreckige Seele zu beten, wusste ja nicht, dass ich gar keiner Religion anhing und auch keinen Wunsch empfand, einen Glauben wiederzufinden, den ich schon vor langer Zeit verloren hatte, oder mich auf den Jüngsten Tag vorzubereiten, selbst wenn ich am Ende ins Paradies käme. Wenn dies Gottes Strafe war, dann würde er ja wohl wissen, dass ich wegen meines Sohnes hier war. Wozu also die Verzweiflung und die Folter? Ich würde Gott nicht um Verzeihung und Gnade bitten. Wenn mein Schöpfer mich prüfen wollte, dann sollte er das tun, wie es ihm beliebte. Und wenn er sich hiermit an mir rächen wollte, dann könnte ich ihn nicht daran hindern. Er hatte mir das Leben geschenkt, und ich fand es nicht schade, es zu verlieren. Es hatte ohnehin nur aus Verwirrungen, Enttäuschungen und Niederlagen bestanden, war sinnlose Suche und banales Dasein gewesen. Und so endete es jetzt also: mit Quälerei, Erniedrigung, Gefangenschaft und vertrocknetem Essen, das ich mir mit Ameisen, Ratten und Kakerlaken teilte, in der Ecke ein Beutel und eine Flasche, um mein Bedürfnis zu verrichten. Drecksleben, sollten sie es mir doch nehmen!
    Leere erfasste mich; das wenige, was von mir noch da war, zerfiel und zerbröckelte in meinem Innern. Meine Seele entschwand, und alles, wovon ich gehofft hatte, es würde mir helfen, standhaft zu bleiben, entfloh mir: mein Stolz, mein

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