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Gottes blutiger Himmel

Gottes blutiger Himmel

Titel: Gottes blutiger Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fawwaz Hahhad
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währenddessen lief ein Junge herum und bot zusätzlich Kaffee aus einer Kanne an. Manche verließen schon dieRunde, um ihrer Arbeit nachzugehen. Mit Abu Harith ging ich wieder in das Zimmer, in dem wir das Mittagsgebet verrichtet hatten und das uns der Scheich freigeräumt hatte, damit wir uns von unserer anstrengenden Reise ausruhen konnten. Ich schlief ein und empfand es nach dem, was ich durchgemacht hatte, als höchste Wonne. Gegen Abend weckte uns der Scheich. Wir mussten wieder aufbrechen, und zwar unverzüglich.
    Unser Gastgeber ging uns voran und ertastete den Weg in der Dunkelheit ohne Lampe oder Kerze. Wir kamen auf ein Feld, überquerten es und mussten ein Stück durch einen Fluss waten. Über einen Felsen, der aus dem Wasser ragte, kletterten wir am anderen Ufer wieder heraus und liefen auf einem schmalen, kurvigen Fußweg weiter. Wir mussten uns an der Felswand abstützen, die an dieser Seite des Flusses steil aufragte, und um eine Erhebung herumgehen, bis wir an eine höhlenartige Vertiefung kamen, in der im Schein einer Lampe vermummte bewaffnete Männer saßen. Abu Harith blieb stehen, während ich hineinging.
    Da saß er mit gekreuzten Beinen auf dem Boden, seine schwarze Mütze auf dem Kopf, an die Felswand gelehnt, unter sich nur eine dünne Schaumstoffmatratze. Vor ihm standen ein paar kleine Teller mit getrocknetem Quark, Käse, Datteln, Feigen, Brot und ein Glas Wasser. Abu Musab az-Zarqawi, der Mann, der fünfundzwanzig Millionen Dollar wert war, empfing mich.
5
    Er war erst am Nachmittag hier angekommen, er war auf der Durchreise und wollte nur kurz rasten. Als er erfahren hatte, dass ich angekommen sei, wollte er mich sehen, um mich zu meiner Rettung zu beglückwünschen.
    Inmitten der Dunkelheit stand die Petroleumlampe zwischen uns beiden und beleuchtete mit ihrem matten Schein unsere Gesichter. Ich musste überrascht ausgesehen haben, az-Zarqawi in Fleisch und Blut gegenüberzustehen. Er sah tatsächlich aus wie auf den wenigen Bildern, die ich von ihm aus Zeitungen kannte. Er war kein Phantom mehr, da saß kein Doppelgänger und kein Gerücht, er war es in Person. Die furchterregende Legende war in einem Mann verkörpert, der ruhig, müde und sorgenvoll zugleich wirkte und der mich lange ansah, bevor er sagte: »Dein Sohn ist uns ein geschätzter Bruder.«
    In seiner Stimme klang Tadel mit, so als befasse er sich gegen seinen Willen mit mir. Und wie um mein Gefühl zu bestätigen, fuhr er fort: »Wir können ihm keinen Wunsch abschlagen.«
    Meine Rettung war also meinem Sohn zuliebe erfolgt. Hätte Samer die Entscheidung az-Zarqawi überlassen, hätte dieser nichts für mich unternommen. Mir kam in den Sinn, ihm zu sagen, dass ich Gott um meine Rettung gebeten und sie nicht ihm zu verdanken hätte. Aber ich riskierte es nicht. Ich wusste, dass Glaube, der aus Angst entsteht, schnell vergeht, wenn man wieder in Sicherheit ist und der Verstand ihn verleugnet. Und mir gegenüber saß nicht irgendwer und mimte Ruhe, sondern es war ebenjener Vermummte, der mit seinem Schwert vor laufender Kamera einmal einen angeblichen amerikanischen Kollaborateur abgeschlachtet hatte.
    Es waren Bilder nie gekannter furchtbarster Grausamkeit. Fünf Vermummte standen hinter dem auf dem Boden sitzenden Amerikaner. Er trug orangefarbene Kleidung und sagte, er heiße Nick Berg, sein Vater heiße Michael, seine Mutter Suzanne, sein Bruder David, seine Schwester Sarah, und er sei aus Philadelphia. Einer der Vermummten verlas eine Erklärung, dann brüllten alle Allahu akbar! , einer stießBerg zu Boden, während sich ein anderer über ihn beugte und ihm den Kopf abschnitt. Dieser war kein anderer als Abu Musab az-Zarqawi, er hob seine kräftigen, sehnigen Fäuste in die Luft, dieselben, die ich jetzt vor mir sah, in einer hielt er den abgetrennten Kopf, in der anderen das bluttropfende Schwert.
    Az-Zarqawi erschien mir wie ein Vulkan, der jeden Moment ausbrechen konnte. Ich hatte keine Angst davor, dass er mich verbrennen könnte. Was mir Angst machte, war, dass ich nicht noch einmal mit Gott rechnen konnte. So sagte ich leise: »Das hätten Sie nicht tun müssen. Mir liegt nichts an meinem Leben.«
    Einer der Bewaffneten brachte eine Kanne Tee und stellte sie vor uns hin. Az-Zarqawi machte eine Handbewegung, und der Mann verschwand wieder. Wir waren jetzt allein. Ich erwartete, dass er mir etwas Unangenehmes mitteilen würde, und fragte ihn: »Ist Samer verletzt?«
    »Er ist bei bester Gesundheit«, antwortete

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