Gottes blutiger Himmel
er mich anrufen solle.
»Er wollte sicher, dass Sie mir helfen«, sagte ich. »Aber das ist nicht mehr nötig. Ich bin nicht mehr in der Grünen Zone.«
»Sie meinen …?«
»Keine Sorge, ich komme schon klar. Wenn ich Sie brauche, melde ich mich. Wie schlimm steht es um Miller?«
»Ich weiß nicht. Ich hoffe, dass er überlebt. Ich fürchte …«
Jonathan sprach nicht weiter, sondern murmelte nur noch Andeutungen, denen ich entnahm, dass Miller möglicherweise hatte ermordet werden sollen.
»Sind Sie sicher?«, fragte ich. Aber Jonathan hatte schon aufgelegt.
Ich hatte nicht gemerkt, dass man mich beobachtete. Ich hatte Englisch gesprochen, leise zwar, doch man hörte, dass ich kein Iraker war. Ein dicker Mann, der seinen Kopf an der Wand abstützte und einen schwarzen Tee nach dem anderen trank, kam mir seltsam vor. Schweiß lief ihm in Strömen übers Gesicht, und immer wenn er den Kopf hob, blickte er ruckartig herum und spähte auf alle Gäste, vermied aber, dass sich unsere Blicke trafen. Ich spürte eine seltsame Atmosphäre, die ich nicht deuten konnte, führte dies jedoch auf meine eigene Anspannung zurück. Ich machte mir Sorgen um Miller und fürchtete zugleich, dass meine Entführer nicht Wort halten würden oder die ganze Aktion schiefgehen könnte, besonders als Fadhil einen Anruf von unserem Baath-Freund bekam, der ausrichten ließ, er habe jemanden losgeschickt, der als Vermittler auftreten würde. Wir würden ihn daran erkennen, dass er mit drei Begleitern kam.
Es dauerte eine Weile, bis ich mich erinnerte, den schwitzendenMann schon einmal gesehen zu haben, hier im Café, im Hotel oder auf der Straße. Um mich zu beruhigen, nahm ich an, dass ich mich irrte. Aber mein Argwohn blieb selbst dann noch, als der Vermittler mit seinen Begleitern erschien. Er setzte sich zu uns, während seine Gefolgsleute an einem Tisch im Eingangsbereich Platz nahmen. Nun stand der Dicke auf, er transpirierte jetzt noch mehr, nahm ein Taschentuch und wischte sich Stirn und Kinn damit ab. Er bewegte sich mühsam und verschwand in einem Raum im Inneren des Cafés, kam aber gleich darauf wieder heraus. Was war denn da hinten drin? Das Klo, nichts weiter.
Der Mittelsmann sprach davon, dass die Partei mir gerne helfe, leider seien ihre Möglichkeiten aber begrenzt, und alles Weitere hänge jetzt davon ab, dass sich die Gruppe an die Abmachung hielt. Auf al-Qaida habe man allerdings keinerlei Einfluss. Er blickte auf seine Uhr. »Sie sind gleich da, es dauert keine zehn Minuten mehr.« Dann riet er mir noch, ich solle ja niemandem sagen, dass ich in der Grünen Zone gewohnt und welch gute Beziehungen ich zu den Amerikanern gehabt hätte. »Da verstehen die gar keinen Spaß. Sagen Sie lieber, Sie stünden unter dem Schutz der Baath-Partei.«
Es folgten Anweisungen, wie ich möglichst wenig Verdacht erregen würde. Die letzte lautete, ich solle den Irak so schnell wie möglich verlassen, wenn meine Aufgabe erledigt sei.
Er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als plötzlich drei vermummte Bewaffnete ins Café stürmten, von denen einer auf die Begleiter meines Vermittlers schoss. Sie fielen zu Boden wie im Kino, unter einem breitete sich eine Blutlache aus, und er rührte sich nicht mehr. Die anderen beiden warfen ihre Waffen weg und starrten den Angreifer an. Unterdessen hatte mein Vermittler ebenfalls die Hände gehoben, Fadhil war völlig verdutzt, und auch ich wusste nicht, wasich tun sollte. Ich betrachtete alles, als ginge es mich nichts an. Ein zweiter Vermummter hielt drohend sein Gewehr auf uns gerichtet. Mein Vermittler sagte: »Das ist ein Irrtum, wir sind Freunde!«
Der Verhüllte wollte offenbar nicht noch mehr Munition verschießen.
»Das ist gegen unsere Abmachung«, sprach der Vermittler weiter.
»Du irrst dich, nicht wir«, sagte der Bewaffnete. »Zwischen uns gibt es keine Abmachung.«
Er schlug dem Vermittler auf die Stirn. Wir hatten es mit einer Bande von Entführern zu tun, die nicht bestellt war, und ich war das Ziel. Jetzt kam der dritte Vermummte, packte mich an der Schulter und schubste mich zur Tür. Ich drehte mich noch einmal um, dabei hatte ich eine Gewehrmündung im Rücken, und warf einen letzten Blick auf Fadhil. Lebe wohl, sagte ich wohl noch. Gleichzeitig sah ich, wie der verschwitzte Mann aufstand. Das Taschentuch hatte er noch immer in der Hand, und nun erkannte ich, dass er ein Handy darin eingewickelt hatte. Er verließ das Café mit uns. Er war also ein Späher gewesen, und
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