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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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Vaticanum I mußte in der Tat erklären, warum die päpstliche
Unfehlbarkeit, wenn sie entscheidend wichtig für die Kirche ist, in den
Glaubensbekenntnissen und Konzilien der ungeteilten Kirche nicht erwähnt und
erst 1870 durchgesetzt wurde. Davor wurde der Glaube an päpstliche Unfehlbarkeit
keineswegs von Katholiken verlangt; sie konnten — und ganze Länder taten es—sie
leugnen, ohne im geringsten als schlechte Katholiken zu gelten. Wenn aber die
Katholiken vor 1870 nicht an päpstliche Unfehlbarkeit glauben mußten, stand es
ihnen frei, zu glauben oder nicht, was der Papst sagte. In den Worten von
Kardinal Newman, es war »eine theologische Meinung... eine Wahrscheinlichkeit«.
Bis 1870 konnten Katholiken eine Lehre aufgrund einer päpstlichen Definition
nie glauben; es stand ihnen bestenfalls frei, sie für wahrscheinlich zu halten.
Wenn jedoch diese Option bestand, kann der Papst den Glauben der Kirche nicht
reguliert haben, wie ein Konzil dies tat. Mit einem Wort, päpstliche Aussagen ex
cathedra wurden der Kirche in ihrer ganzen Geschichte erst ab 1870
aufgezwungen, selbst wenn man um der Argumentation willen annimmt, es hätte sie
gegeben. Natürlich hätten andere Gründe für die Unfehlbarkeit des Papstes
vorliegen können, und sie haben Vorgelegen. Er war ein Bischof neben anderen
Bischöfen, die im sogenannten ordentlichen Magisterium lehrten. Doch genau in
der Formulierung des Vaticanum I konnten die Gläubigen seine Aussagen
akzeptieren oder ablehnen. Mit anderen Worten, päpstliche Unfehlbarkeit wurde
für die Kirche erst 1870 entscheidend. Die Vorstellung mancher Katholiken, sie
bekämen ihren Glauben an Gott und Jesus vom Papst als solchem, ist irrig. Die
Kirche hat für ihren Glauben nie päpstliche Unfehlbarkeit gehabt oder
gebraucht.
    Laut Vaticanum I ist der Papst
nur unfehlbar, wenn er ex cathedra spricht. Dann erscheint es
angemessener, zu sagen, der Papst ist fehlbar, außer wenn er bei seltenen
Gelegenheiten Aussagen ex cathedra macht. Wie ein Bischof im Konzil
selbst bemerkte, ist der Satz »Der Papst ist unfehlbar« in etwa wie der Satz
»Herr X ist ein Säufer, weil er sich einmal betrunken hat«, oder noch
schlimmer, »Herr X ist ein Säufer, weil sein Urgroßvater sich einmal betrunken
hat«, denn Ex-cathedra-Aussagen sind außerordentlich selten. Es ließe
sich schwerlich eine vor der Definition der Unbefleckten Empfängnis von 1854
finden. Und alle sind sich einig, daß es seit 1870 nur eine gegeben hat. Das
war, als Pius XII. 1950 eine weitere mariologische Lehre definierte, Mariä
Himmelfahrt. Er erklärte, am Ende ihres Lebens sei sie mit Leib und Seele in
den Himmel entrückt worden. Selbst mit seiner »besonderen Hilfe Gottes« konnte
er nicht mit Gewißheit sagen, ob sie gestorben war oder nicht. Dies hielt ihn
nicht davon ab, das übliche Anathema hinzuzugeben: »Sollte irgend jemand, was
Gott verhüten möge, es wagen, eigenmächtig zu leugnen oder zu bezweifeln, was
Wir definiert haben, so soll er wissen, daß er vollkommen vom göttlichen und
katholischen Glauben abgefallen ist...« Die Seltenheit von Aussagen ex
cathedra macht die Bemerkung Johannes’ XXIII. zu mehr als einem Scherz:
»Ich bin nicht unfehlbar. Ich wäre nur unfehlbar, wenn ich ex cathedra spräche, was ich nicht vorhabe.« Selbst Paul VI. berief sich nicht auf die
Unfehlbarkeit, als er 1968 die Empfängnisverhütung verurteilte.
    Die wenigen unfehlbaren
Äußerungen hätten jene Katholiken des neunzehnten Jahrhunderts, die sich jeden
Morgen darauf freuten, mit ihrer Times ein neues Dogma auf dem
Frühstückstisch zu finden, kaum zufriedengestellt. Aber könnte ein Papst nicht
wenigstens eine Liste der bisherigen Ex-cathedra-Aussagen liefern, oder
Kriterien, um sie zu erkennen? Die Unsicherheit, welche Aussagen nun unfehlbar
sind, tendiert das Vertrauen zum System zu untergraben. Auch Nichtkatholiken
wüßten gern, was sie vor der Wiedervereinigung glauben müßten.
    Katholische Theologen legen
Wert auf den Hinweis, daß Unfehlbarkeit nicht bedeutet, der Papst sei
inspiriert, könne in die Zukunft blicken, jede Frage nach Lust und Laune
entscheiden oder drücke notwendig die Wahrheit vollkommen aus, so daß sie nie
revidiert oder erweitert werden müßte. Worauf sie fast alle nicht hinweisen,
ist, daß Päpste im großen und ganzen selbst nach katholischen Maßstäben alles
andere als unfehlbar sind. Sie sprechen nicht einmal dann unfehlbar, wenn die
Kirche und die Welt nach Licht in der Finsternis

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