Gottes erste Diener
Karl sein erhebliches Gewicht geltend machte, wurde
Heinrichs Wunsch, nach zwanzigjähriger Ehe als Junggeselle klassifiziert zu
werden, schließlich abgelehnt. Jeder weiß von schlimmeren Zwangslagen als der
Heinrichs VIII. Ehepartner werden verlassen, manchmal innerhalb von Wochen nach
der Hochzeit. Ihre Gatten sind vielleicht mit jemand anderem zusammengezogen
und haben eine neue Familie in einem anderen Land, vielleicht einem anderen
Erdteil gegründet. Frauen sind an Säufer und Spieler gekettet, an Gewalttäter,
die sie und die Kinder prügeln. Um der Fairness willen muß hinzugefügt werden,
daß manche Männer mit Frauen verheiratet sind, die sie regelmäßig
verprügeln. Manche Ehepartner finden zu spät heraus, daß sie mit jemandem
verheiratet sind, der homosexuell, bisexuell oder geschlechtskrank ist, der
verrückt wird oder einen religiösen Wahn hat. Die endlosen Abwandlungen des
häuslichen Dramas liefern den Grundstoff für Seifenopern im Fernsehen. Für all
diese komplexen Situationen hat die katholische Kirche eine Lösung: Trennung,
aber keine Scheidung. Der Bund der Ehe, sagt ein Papst nach dem anderen, ist
von seiner Natur her unauflöslich. »Ehen werden im Himmel geschlossen«, selbst
wenn sie in der Hölle enden. »Was Gott verbunden hat, soll kein Mensch
trennen.« Jede Lockerung dieser Regel würde die Schleusentore öffnen.
Ist das nicht schon geschehen?
In der westlichen Welt ist die Zahl der Scheidungen ungeheuer angestiegen. Vor
1858 wurde eine Scheidung in England nur durch einen speziellen
Parlamentsbeschluß gewährt. Zwischen 1669 und 1858 gab es nur 229 Scheidungen,
und davon wurden nur drei auf Wunsch der Frau ausgesprochen. Heute halten Ehen
im Durchschnitt neun Jahre, und Scheidungsgrund ist die unheilbare Zerrüttung
der Ehe.
In den USA, wo es vor der
Revolution keine Scheidungen gab, ist Scheidung ein Geschäft wie jedes andere, etwa
wie der Verkauf von Autos oder Erdnüssen, geworden. Scheidungen tragen zur
Produktivität der Wirtschaft bei. 1930, im Jahr von Casti connubii, gab
es weniger als 200 000. 1975 waren es weit über eine Million im Jahr. Heute ist
die amerikanische Scheidungsrate die höchste der Welt.
Im England des siebzehnten
Jahrhunderts war John Milton allein auf weiter Flur mit seinem Protest gegen
das Fehlen der Scheidung. Heute spricht er für die Massen. Der Dichter, der von
seiner Frau verlassen worden war, kommentiert in seinem Tetrachordon die
Worte »Was Gott verbunden hat«:
Sollen
wir sagen, daß Gott Irrtum, Betrug, Unfähigkeit, Jähzorn, Streit, ständige
Einsamkeit, ständige Zwietracht verbunden hat; wenn Geilheit, Wein, Hexerei,
Drohung oder Unbeherrschtheit Treu und Untreu, Christ und Antichrist, Haß mit
Haß oder Haß mit Liebe verbunden hat — sollen wir sagen, dies hat Gott verbunden?
Der Papst allein kann Ehen
scheiden
Bis vor kurzem hielten sich
Katholiken, die sich scheiden ließen und wieder
heirateten, für »schlechte Katholiken«. Da sie in Sünde lebten, waren sie auf
dem Weg zur Hölle. Jüngere Umfragen haben nicht nur gezeigt, daß die
Scheidungsraten bei Katholiken nur unbedeutend unter dem Durchschnitt liegen,
sondern daß die Geschiedenen sich nicht länger für schlecht halten. So, wie
Katholiken dem Papst in der Empfängnisverhütung ins Angesicht widerstehen, so
lassen sie sich auch ohne ein Gefühl von Sünde oder Schande scheiden. Freilich
ist Scheidung gewöhnlich ein traumatisches Erlebnis, doch katholische
Geschiedene haben heute nicht die zusätzliche Belastung ihrer Vorfahren: Sie
halten sich nicht für Verdammte. Oft scheinen sie nicht zu empfinden, daß sie
in der Ehe versagt haben, sondern daß die Ehe für sie versagt hat. Wie dem auch
sei — wenn eine Ehe vorbei ist, ist sie vorbei, selbst wenn sie ihre eigene
Verantwortung, ganz oder teilweise, für den Bruch anerkennen. Wozu vorgeben, da
sei eine Art Bund — mystisch, metaphysisch —, wenn sie wissen, es ist aus zwischen
ihnen? Die Liebe ist gestorben. Ohne Liebe zu leben, ist Sünde. Nicht wieder zu
heiraten, würde den Versuch bedeuten, ohne Liebe zu leben: nur eine weitere
Sünde. Ehelosen Klerikern ist nicht klar, daß es oft so sinnvoll ist, eine
zerbrochene Ehe zu kitten, wie ein zerrissenes Spinnengewebe mit bloßen Händen
zu flicken.
Heute glauben die meisten
Katholiken, wenn die Umfragen zutreffen, daß ihre Kirche Scheidungen
ermöglichen sollte. Es gibt ein Leben nach der Scheidung, und viele wollen
dieses Leben für sich und
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