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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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Ehe, sagt die Kirche, ist
vor allem für Kinder da. Was, wenn einer der Partner nicht beabsichtigt, Kinder
zu haben? Das würde, wie es scheint, eine Ehe nichtig machen. Müßte dieser
Partner aber ausdrücklich sagen, daß er oder sie keine Kinder will? Oder wäre
eine Ehe nichtig, wenn einer von beiden für sich beschlösse, kinderlos zu
bleiben?
    Diese Frage hat mit der
Verbreitung empfängnisverhütender Mittel an Bedeutung gewonnen. Beweist ihre
Verwendung oder selbst die ständige Anwendung der Knaus-Ogino-Methode eine
Unwilligkeit, Kinder zu haben, die dem Hauptzweck der Ehe entgegensteht? Der
Vollzug, sagen die Moraltheologen, erfordert penetratio und inseminatio. Wenn immer empfängnisverhütende Mittel benutzt wurden, kann die Ehe dann sogar
nach häufigem Geschlechtsverkehr wegen Nichtvollzug annulliert werden? Auch die
Unauflösbarkeit ist ein Problem. Vielleicht wollte einer der Partner nie
heiraten, »bis der Tod uns scheidet«. Würde eine ausdrückliche Erklärung, nicht
für das Leben zu heiraten, die Ehe nichtig machen? Hätte eine implizite Entschlossenheit
diese Wirkung?
    Schließlich das Problem Treue.
Würde die Kirche eine Ehe für echt halten, wenn ein Partner zum Zeitpunkt der
Eheschließung eine Affäre mit jemand anderem hatte? Oder wenn ein Mann
ausdrücklich zu einem Freund sagte, wenn seine Frau sich als untreu erwiese,
würde er sich scheiden lassen?
    Die Fragen sind endlos ebenso
wie die Möglichkeiten, die Regeln mit der Hilfe eines Kirchenrechtlers zu
manipulieren.
    Zur Absicht kommt die Frage der
Zustimmung hinzu. Nicht einmal Gott kann die Zustimmung geben, wenn einer der
Partner sie innerlich nicht gibt oder dazu gezwungen wird. Was aber
konstituiert Zwang? Hängt das nicht davon ab, wer gezwungen wird?
    In jüngster Zeit haben sich vor
allem junge und beeinflußbare Menschen auf Zwang berufen. Ein berühmter
amerikanischer Fall betraf Consuela Vanderbilt, die 1916 Charles Spencer, den
Herzog von Marlborough, ehelichte. Nach zehnjähriger, mit zwei Kindern
gesegneter Ehe bat sie Rom, ihre Verbindung zu annullieren, weil ihre Mutter
sie dazu gedrängt hatte. Die Öffentlichkeit hörte und staunte, daß Pius XI.
eine Ehe annullierte, die zwei Protestanten vor einem protestantischen Bischof
eingegangen waren. Manning, der Bischof der Episkopalkirche von New York,
nannte Roms Entscheidung einen »erstaunlichen und unglaublichen« Angriff auf
»die Heiligkeit und Dauerhaftigkeit der Ehe«.
    In Teilen Italiens und Spaniens
ist man raffinierter. Es ist nicht unüblich, daß Wohlhabende vor der Hochzeit
nach dem Diktat ihrer Anwälte Briefe schreiben, die Zwang oder einen Defekt in
der Absicht beweisen sollen. Diese Briefe werden in einem Safe aufbewahrt, für
den Fall, daß die Ehe kein Erfolg wird.
     
    Jahrhundertelang ist die Kirche
nach Innozenz III. davon ausgegangen, daß jeder, der heiratete, richtig
zustimmte und die rechte Absicht hatte. Was taten sie schließlich anderes, als
den Geboten der Natur zu folgen? Seit dem Kodex von 1917 sind diese Annahmen in
Frage gestellt worden. Den Kirchenrechtlern ist immer deutlicher geworden, daß
die Gebete der Trauungsfeier nicht dem Denken und Wollen der Partner
entsprechen. Bis vor kurzem mußte ein Ehepartner, der um Annullierung bat,
beweisen, daß er vor zwei verläßlichen Zeugen gesagt hatte, er heirate nicht
fürs Leben. Heute kann diese Verneinung aus seinem Glauben, dem seiner Familie
und Gemeinschaft, seinem Verhalten vor der Ehe und direkt danach abgeleitet
werden.
    Es war ein großer Schritt
vorwärts, als die Kirche zu akzeptieren begann — freilich zaghaft —, daß
Eheleute in vielen Kulturen wohl nicht die rechte Absicht haben, eine Ehe zu
schließen. Wie viele Menschen verpflichten sich heute beispielsweise zu einer
ausschließlichen, lebenslangen Liebe? Die alten, naturrechtlichen Annahmen der
Kirche werden auf globaler Ebene über den Haufen geworfen.
    Seit dem Dekret Gaudemus von Innozenz III. aus dem Jahr 1202 hat die Kirche gegen die unvermeidlichen
Konsequenzen ihrer Lehre angekämpft, nämlich daß die meisten Trauungen nicht
Eheschließungen in ihrem Sinn sind. Wenn sie darauf beharrt, daß jede Ehe die
Güter Nachkommen, Unauflöslichkeit und Treue hat, sollte sie sich damit
abfinden, daß die meisten modernen Ehen null und nichtig sind.
    Zum Beispiel China mit seiner
strikten Politik der Kleinfamilie. Die meisten Paare dürfen nur ein Kind haben.
Es ist unleugbar, daß es streng nach katholischen Prinzipien

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