Gottes erste Diener
Gläubigen, ist kontraproduktiv.
Sie beeindruckt auf die Dauer niemanden.
Wie Maximos IV. Saigh in den
frühen Tagen von Vaticanum II sagte, ist die katholische Morallehre viel zu
legalistisch. Seine Worte treffen besonders im Bereich der Sexualmoral zu. Die
Morallehre leidet oft an einer Oberflächlichkeit, einem Gefühl der
Unwirklichkeit. Es ist eine euklidische Ethik, die einfach von den realen
Situationen zurücktritt, in denen sich die Menschen befinden. Die sogenannte
naturrechtliche Moral ist oft äußerst unnatürlich. Sie nimmt keine Rücksicht
auf die spezifischen Situationen und persönlichen Unterschiede, durch die der
Einzelne zu seinen eigenen Entscheidungen kommt, was für ihn gut und böse ist.
Es ist eine imperative Moral. Sie bietet keine Wahlmöglichkeiten, nur eine
festgelegte Ordnung von Rechten und Pflichten, ohne Rücksicht auf veränderte
Umstände und neue moralische Einsichten. Die Leute spüren instinktiv, daß mit dieser
Art der Verpflichtung von oben her etwas nicht stimmt. Die Kirche geht weiter
mit Personen auf unpersönliche Weise um. Dieselbe Willkür, die den Benutzern
empfängnisverhütender Mittel zuteil wird, denen, die sich scheiden lassen und
die aus ernsten medizinischen Gründen abtreiben, wird auch Homosexuellen
zuteil. Es ist bezeichnend, daß der einzige moderne Papst, der zugab, ein
Sexualleben zu haben, Paul VI. war, der zur Bestürzung seiner Berater in einer
öffentlichen Audienz sagte, er sei nicht homosexuell. Die italienische Presse
war voller »skandalöser Gerüchte«, die er ein für allemal zum Schweigen bringen
wollte.
Homosexuelle passen
offensichtlich nicht in das starre, biologische Muster sexuellen Verhaltens,
das allein Rom billigt. Deshalb fühlt Johannes Paul sich bemüßigt, obwohl er
fraglos ein gütiger Mensch ist, alle als Sünder zu verurteilen, die etwas
»Unnatürliches« tun. Wie G. H. Williams mit Bedauern berichtet:
Mit
einer Gruppe von Erwachsenen, den Homosexuellen, ist er [Johannes Paul] durchgehend
streng gewesen, was die offene Bekundung dieser Neigung betrifft, obwohl man
annehmen kann, daß er in der Pastoral Milde gegen alle die üben würde, die ihre
»unnatürliche« Neigung unterdrücken.
Homosexuelle sind keine
homogene Gruppe. Es gibt viele Unterschiede. Die einen sind bisexuell, die
anderen fühlen sich nur von ihrem eigenen Geschlecht angezogen; manche sind
homosexuell geboren, andere werden es durch ihre Lebensumstände. Ein
Homosexueller hat gewiß das Recht auf die Frage: »Wer sagt mir, was ›natürlich‹
ist? Das Gesetz meiner Natur ist nicht das gleiche wie eures. Ich habe mir
nicht ausgesucht, so zu sein. Ich habe meine Natur nicht systematisch
›pervertiert‹. Gott hat mich so geschaffen. Und er hat weder mir noch
irgendeinem anderen Schwulen die Gabe des Zölibats verliehen.«
Im Evangelium zeigte Jesus eine
besondere Liebe zu Außenseitern. Er stellte sie nicht an den Pranger. Im
Gegenteil, er war gern mit ihnen zusammen, selbst wenn man ihn dafür
verachtete. Er war Tag und Nacht von Zöllnern und Dirnen umgeben, von Lahmen,
Kranken, Aussätzigen; und er berührte sie alle mit seinen heilenden Händen.
Seine Nähe zu diesen Randexistenzen war das große Gleichnis seiner Mission. Er
war der Erlöser.
Die katholische Kirche dagegen
distanziert sich als Teil ihrer offiziellen Politik von allen Randexistenzen,
etwa Geschiedenen und Homosexuellen, und läßt sie nicht an Christus heran. Der
Kreuzzug gegen Homosexuelle verdunkelt die Botschaft Christi, der alle zu sich
ruft, besonders die Außenseiter der Gesellschaft von damals und heute. Die
katholische Kirche scheint hier Respektierlichkeit wichtiger zu nehmen als die
Verkündigung der Frohbotschaft Christi an den Sünder.
Prinzipiell ist es sicher ein
Fehler, daß der Papst einem Homosexuellen oder irgend jemandem sonst sagt, wie
er sein Leben zu leben hat. Seine Aufgabe ist es, das Evangelium zu predigen,
die Prinzipien der Liebe zu erklären, die Ideale, die aus Jesu Leben, Tod und
Auferstehung entspringen. Es ist dem Einzelnen überlassen, diese Ideale umzusetzen,
so gut er es in seinen Lebensumständen vermag. Es scheint keine Rechtfertigung
dafür zu geben, daß der Papst oder irgend jemand, der den Betroffenen und seine
Lebensumstände nicht kennt, ihm in Einzelheiten vorschreibt, wie er leben soll.
Leider bedeutet naturrechtliche Moral im Katholizismus inzwischen genau das:
Vorschriften für alle, wie sie sich verhalten sollen, dazu die Strafen,
Weitere Kostenlose Bücher