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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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es
ist ein Wert, der immer und unter allen Umständen alle anderen Werte aufwiegt.
Das aber ist mit Sicherheit falsch.
    Wenn das Recht auf Leben immer
der höchste Wert wäre, würde der Krieg verboten, weil er unvermeidlich zum
Verlust von Leben führt. Doch es gibt einen anderen Wert, der den Verlust von
Leben oft aufwiegt, nämlich Gerechtigkeit. Wenn der Papst recht hätte, dürfte
auch niemand Berge besteigen, Rennfahrer werden, in den Weltraum fliegen; bei
all diesen Dingen wird Leben für Werte riskiert, die in seinen Augen weit
geringer sind. Das Recht auf Leben ist jedoch offenbar auf dieser Ebene ein
Wert, der gegen andere abgewogen werden muß: Leben gegen Wissen, Leben gegen
die Freude, Gipfel zu stürmen, schnell zu sein, neue Welten im Raum zu
eröffnen. Die Aussage, daß Leben das grundlegende Menschenrecht ist, kann
unmöglich bedeuten, daß es ein Wert ist, der nie anderen Werten weichen darf,
eigenen oder denen anderer Menschen.
    Während der Papst von einem
Grundprinzip ausgeht und folgert, daß alle Abtreibungen böse sind, geht der
Mann oder die Frau auf der Straße vom entgegengesetzten Ende aus. Sie wissen,
es gibt Fälle — etwa wenn es um Vergewaltigung, Inzest, hirngeschädigte Föten
geht —, in denen Abtreibung eine wirklich moralische Möglichkeit ist. Dann
müssen sie fragen: Was stimmt nicht am Argument des Papstes? Hat er etwas ganz
Offensichtliches übersehen?
    Hat er vielleicht nicht
berücksichtigt, daß der Fötus, ob menschlich oder nicht, ob Person oder nicht,
in der Mutter ist? Er ist nicht Teil der Mutter, aber er kann ohne sie nicht
überleben. Dies zeigt, daß der Embryo, das Kind im Werden, nicht die absoluten
Rechte hat, die der Papst für es beansprucht, sondern nur eingeschränkte
Rechte. Sie sind wie alle Rechte von den Umständen abhängig, in denen sie
wahrgenommen werden.
    Die Meinung des Papstes beruht
darauf, daß das Kind im Mutterleib nicht anders ist als das Kind in der Krippe.
Dies kann wohl kaum aufrechterhalten werden. Das Kind im Mutterleib hat Rechte,
aber sie hängen von den Rechten der Mutter als vollentwickelter Person ab und
unterstehen ihnen. Im Konfliktfall halten die meisten Menschen es für
selbstverständlich, daß die Mutter Vorrang hat. Sie ist die Wirtin, und rein
medizinisch gesprochen ist das Kind parasitär. Sollten die Rechte in Konflikt
geraten, darf sie ihre Rechte einfordern, um ihrer selbst willen und auch um
ihres Mannes und ihrer Kinder willen. Viele sagen, es sei unmoralisch, darauf
zu bestehen, daß sie ihr Leben und das Wohl ihrer Familie für das Leben des
Ungeborenen aufs Spiel setzt. Ihre Entscheidung zur Abtreibung ist besonders
wichtig, wenn das Kind eindeutig schwer geschädigt ist. Die Natur treibt diese
Föten ohnehin oft ab. Sie meint vielleicht, daß es in dieser Lage gut ist, die
mildtätige Mutter Natur nachzuahmen. Die Päpste sprechen von der Biologie als
Schicksal, weil sie, so ist zu vermuten, trotz aller Güte als zölibatäre Männer
sprechen, abstrakt und ohne Erfahrung. Familienväter und besonders -mütter
denken anders als sie.
    Ein katholischer Priester hat
bei seinem Einsatz für die päpstliche Sicht unbeabsichtigt deren seltsame Logik
zum Vorschein gebracht: Es ist besser, daß Mutter und Kind sterben, als daß ein
Arzt einen Fötus abtreibt. »Zwei natürliche Tode«, schreibt David Granfield,
»sind ein geringeres Übel als ein Mord.« Weil Mutter und Kind ein gleiches
Recht auf Leben haben, müssen beide sterben. Wenn je eine Aussage den ethischen
Bankrott einer biologischen Moral entlarvte, dann diese.
    Leben nehmen ist nicht immer
Folge einer Mißachtung von Leben. Die Kirche sollte das wissen. In der
Vergangenheit hat sie die Todesstrafe befürwortet, und noch heute sanktioniert
sie »gerechte Kriege«, in denen mit Sicherheit Unschuldige sterben. In dem von
Granfield erwähnten Fall ist eine Leibesfrucht dabei, das Leben der Mutter zu
zerstören und in anderer Weise das Leben ihrer Familie. Die Entscheidung, die
Schwangerschaft abzubrechen, ist eine Entscheidung für das Leben, nicht für den
Tod. Wenn nur solche furchtbaren Entscheidungen nicht von Menschen getroffen
werden müßten.
    Ein Beispiel schafft vielleicht
noch mehr Klarheit. Eine Frau ist schiffbrüchig. Es gelingt ihr, auf ein Floß
zu kommen, das nur eine Person tragen kann. Jemand anderes im Wasser versucht
hinaufzukommen. Sie hat das Floß; sie weiß, wenn der andere hinaufkommt, werden
beide ertrinken. Sie ist in ihrer tragischen

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