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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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jemand
nach und fand gerade rechtzeitig, daß dort schon ein Erzbischof saß, den
jahrelang niemand gesehen hatte. Als Entschädigung gab der König dem Jungen
eine Abtei bei Chartres und machte ihn zum Kanoniker jeder Kathedrale in der
Toskana. Als Giovanni elf war, bekam er die historische Abtei Monte Cassino.
Mit dreizehn wurde er der jüngste Kardinal aller Zeiten, wenn er auch nicht
ganz an Benedikt IX. herankam, der mit elf Papst geworden war. Selbst der
tolerante Innozenz VIII. hatte anscheinend Skrupel, einen Teenager in das
Heilige Kollegium zu erheben; er bestand auf drei Probejahren, damit der Junge
alle Gelegenheit hatte, Theologie und Kirchenrecht zu meistern.
    Bei seiner Wahl zum Papst war
Giovanni ein Mann mit teigigem Gesicht, fett, kurzsichtig, glubschäugig und aus
zunächst nicht deutlichen Gründen keusch. Das heißt, er hatte keine Mätressen
und keine Neffen (oder Bankerte). Der Grund lag wahrscheinlich darin, daß er
ein unternehmungslustiger Homosexueller war. Guiccardini sagte, der neue Papst
habe eine allzugroße Vorliebe für Fleischliches gehabt, »besonders jene
Vergnügungen, die man anständigerweise nicht erwähnen kann«.
    Er war krank, als das Konklave
begann, und er mußte auf einer Bahre hineingetragen werden. Ein solcher Einzug
steigerte seine Chancen. Die Wahlberechtigten hielten aus einem weiteren Grund
viel von ihm: Es war bekannt, daß er unter chronischen Geschwüren an seinem
Hinterteil litt. Eine Operation würde gewiß für eine neue Wahl sorgen. Trotz
alledem war Giovanni, der den Namen Leo X. annahm, ein überschäumendes
Temperament. Seine ersten Worte als Papst galten seinem illegitimen Vetter
Giulio de’ Medici: »Jetzt kann ich mich richtig amüsieren.« Begierig, seine
Tiara aufzuprobieren, nahm er seinen roten Hut ab und gab ihn Giulio. »Für
dich, Cousin.« Giulio nutzte ihn gut. Er sollte einer der fürchterlichsten
Päpste werden, Clemens VII.
    Leo wurde in einem
provisorischen Pavillon vor der Peterskirche gekrönt. Nur die Fassade der
berühmten Kirche war noch da, der Rest ausgeweidet, um ersetzt zu werden. Die
leere Hülle der alten Peterskirche erschien im nachhinein als Vorzeichen für
die finsteren Zeiten, die dann folgten. Konstantins Basilika hatte fast
zwölfhundert Jahre gestanden, als Julius II. sich in den Kopf setzte, sie
abzureißen und eine andere zu bauen. Seine Kardinale versuchten, ihn davon
abzubringen. Die Kosten wären zu hoch; sie würden die herrlichen Mosaiken und
unersetzlichen Reliquien verlieren, die alle Epochen mit der Kirche der
Katakomben verbanden. Während der Bauzeit der neuen Kathedrale würde es eine
enorme Lücke im Glauben und in der Andacht der christlichen Welt geben. Julius
hörte nicht auf sie. Für die Basilika, die er plante, die größte der Welt, war
er zu dem Opfer bereit. Unter Leo sollte der neue Petersdom die Christenheit
ihre Einheit kosten.
     
    Statt alles aufzugeben, um
Christus nachzufolgen, schnappte sich Leo, was er nur konnte, im Namen Christi.
Er war ein Spieler und Geldverschwender, und es hieß, er folgte Jesus nur in
einer Hinsicht: Er sorgte sich nicht um das Morgen. Er war die einzige Art
Papst, mit der die Römer sich wohl fühlten. Er gab das Geld ihnen, statt es wie
Julius in teuren Kriegen zu verpulvern.
    Es war ein Zeitalter üppiger
Gastfreundschaft. Ein gewisser Kardinal Cornaro gab Diners mit fünfundsechzig
Gängen, und jeder Gang bestand aus drei verschiedenen Gerichten. Leos Diners
konnten es damit aufnehmen. Auf der Karte waren Leckereien wie etwa
Pfauenzungen. Nachtigallen flogen aus Kuchen heraus; nackte kleine Jungen
sprangen aus Aufläufen. Sein Oberhofnarr, ein zwergenwüchsiger Dominikaner, Fra
Mariano, unterhielt ihn damit, daß er vierzig Eier oder zwanzig Hühner auf
einmal aß. In der Karnevalszeit wurden ganze Tage mit dem Genuß von
Stierkämpfen verbracht, gefolgt von Banketten und abgerundet mit Maskenbällen,
bei denen Leo seine Kardinäle und ihre Damen bewirtete.
    Er hatte 683 Höflinge in seinem
Dienst. Auch hielt er sich viele Hofnarren, ein Orchester, ein ständiges
Theater, das auf Stücke von Rabelais spezialisiert war, und etliche wilde
Tiere. Sein Liebling war ein weißer Elefant, das Geschenk König Emanuels von
Portugal.
    Am 12. März 1514 gab es eine
Parade durch Rom zur Engelsbrücke, wo Leo auf einem Podium den Salut
entgegennahm. Nach einer Prozession exotischer indischer Vögel, persischer
Pferde, einem Panther und zwei Leoparden kam Hanno, der weiße

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