Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
Vom Netzwerk:
Elefant, mit
einer silbernen Burg auf seinem Rücken. Dreimal beugte er nach strenger
Hofetikette das Knie vor dem entzückten Papst. Als Finale bekam er einen Eimer
Wasser, um die Menge zu besprengen.
    Dieser Elefant, der im Belvedere
wohnte, wurde zur Berühmtheit und löste eine Flut von Literatur aus. Hunderte
von Gedichten wurden ihm zu Ehren geschrieben. Viele ausgezeichnete
Holzschnitte von ihm sind noch erhalten. Auf der unteren Kuppel des Vatikans
malte Raffael sein Bild; es ging allerdings bei Renovierungen verloren. In der
Vatikanischen Bibliothek gibt es ein geheimes Tagebuch der vielen Aufgaben des
Elefanten; es endet mit einem Tod, der mehr beklagt wurde als der vieler
Päpste: »Lundi XVI Juin, 1516, mourut l’éléphant.«
    Entgegen kanonischem Recht
jagte Leo wochenlang in Magliana, seinem spektakulären Landsitz, der fast so
schön war wie Castelgandolfo. Magliana lag fünf Meilen vor Rom an der Straße
nach Porto. Er ritt immer im Damensattel wegen seines »Leidens«, dessen Geruch
seine Höflinge nicht zu bemerken vorgaben.
    Wie so viele Renaissancepäpste
war Leo ein begeisterter Bauherr und Kunstmäzen. Der zeitgenössische Historiker
Scarpi sagte von ihm: »Er wäre ein vollkommener Papst gewesen, wenn er
zusätzlich zu dieser (künstlerischen) Bildung auch nur die geringste Kenntnis
der Religion gehabt hätte.«
    Keine von Leos Interessen war
billig, und er mußte zu Zinsen von 40% Riesensummen von Bankiers leihen. Die
Bordelle brachten einfach nicht genug ein, obwohl es siebentausend registrierte
Prostituierte in einer Bevölkerung von unter fünfzigtausend gab. Die Syphilis
grassierte — »eine Art Krankheit«, sagte der syphilitische Benvenuto Cellini
mit echtem Mitleid, »die unter Priestern sehr verbreitet ist«.
    Um sein Einkommen aufzubessern,
erfand Leo Ämter in der Umgebung des Palastes. Diese Posten brachten Macht und
Ansehen und erwiesen sich als beliebt. Sixtus IV. hatte nur 650 Ämter zum
Verkauf gehabt; Leo hatte 2150. Er versteigerte sie. Am meisten nachgefragt
waren Kardinalshüte, die durchschnittlich für dreißigtausend Dukaten weggingen.
Ihre Eminenzen bekamen ihr Geld durch eigene korrupte Verkäufe wieder herein.
    Trotz Leos staunenerregender
Freigebigkeit beschuldigten ihn etliche jüngere Kardinäle, er hätte die
Versprechungen nicht gehalten, die er ihnen im Konklave gemacht hatte. Alfonso
Petrucci von Siena, ein Siebenundzwanzigjähriger von tiefer Unfrömmigkeit und
unerschütterlichem Unglauben, war besonders empört. Mit vier anderen
Mitgliedern des Heiligen Kollegiums beschloß er, den Papst zu ermorden. Sein
Plan war, Seine Heiligkeit an seinem schwächsten Punkt anzugreifen, und das
hatte den Vorzug der Originalität. Er bestach einen florentinischen Arzt,
Battista de’ Vercelli, den Papst an seinen Hämorrhoiden zu behandeln und bei
der Operation direkt in seinen Darmausgang Gift einzuführen. Es war einmal
etwas anderes als Feigen.
    Zweimal wies Leo Battistas
Angebot ab, bis sein Geheimdienst einen Brief von ihm an Petrucci abfing. Beide
Verschwörer wurden eingekerkert, der Kardinal im Marocco, dem tiefsten und
schmutzigsten Verlies der Engelsburg.
    Unter der Folter gestand der
Arzt. Er wurde öffentlich gehängt, gestreckt und von einem Arzt gevierteilt,
der viel weniger geschickt war als er selbst.
    Leo verzieh vier der
aufständischen Kardinäle, freilich gegen riesige Bußgelder. Petrucci als
Rädelsführer bekam sein Teil in der Verborgenheit des Marocco. Seine Heiligkeit
konnte nicht zulassen, daß ein Christ Hand an einen ehemaligen Kirchenfürsten
legte, deshalb setzte er einen Mohren als Scharfrichter ein. Der Mohr legte
Petrucci eine Schlinge aus standesgemäßer scharlachroter Seide um den Hals und
erdrosselte ihn langsam. Die ernsteste Gefahr für Leo kam aus einer Richtung,
die er in seiner Kurzsichtigkeit nicht erkannte—nicht aus dem päpstlichen Hof,
nicht einmal aus Rom, sondern aus dem fernen Deutschland.
     
     
    Luther und der Ablaßskandal
     
    Mehr als die meisten anderen Länder wankte Deutschland schon unter der Last von hundert
päpstlichen Mißbräuchen. Es litt unter schweren Steuern; dem Bezahlen der
Annaten, d. h. des Jahreseinkommens aus einer Pfründe; Einkommensteuern für
Kreuzzüge gegen die Türken, die nie durchgeführt wurden. Durch die schreckliche
Waffe der Exkommunikation häuften Kleriker unermeßliche Reichtümer an. Viele
Männer wurden Kleriker, um Immunität vor Zivilgerichten zu erlangen. Die
römische

Weitere Kostenlose Bücher