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Gottes geheime Schöpfung: Thriller (German Edition)

Gottes geheime Schöpfung: Thriller (German Edition)

Titel: Gottes geheime Schöpfung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ted Kosmatka
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grau-weißem Material. Die Hitze der Lampe ließ die feuchte Luft dampfen. Es roch nach Erde und Schlamm.
    Irgendwo über ihm war der Morgen fast angebrochen. Es war kurz vor Sonnenaufgang. In ein paar Minuten würden die anderen Lagerbewohner aufwachen, und der Tag würde beginnen. Das Team würde sich versammeln und in die Grube klettern, um die Grabung fortzusetzen. Paul war früh aufgestanden, um einen letzten Blick auf das zu werfen, was es eigentlich nicht geben durfte.
    »Was bist du?«, flüsterte er in der Stille der Grube. Er blies vorsichtig Staub von der Oberfläche der Knochen.
    Die anatomischen Lehrbücher behaupten, dass der menschliche Körper zweihundertsechs Knochen aufweist, aber das stimmt nicht ganz, denn es gibt eine Reihe von Variationen. Zum Beispiel ist die Zahl der Wirbel im Steißbein beim Menschen nicht festgelegt. Einige Leute haben mehr, andere weniger. Außerdem gibt es bei einigen Individuen mit mesoamerikanischen Vorfahren eine zusätzliche Schädelnaht. Allein durch ihre Existenz erzeugt diese zusätzliche Naht einen weiteren Knochen: den Inkaknochen, der sich an der Schädelbasis befindet und unmittelbar mit der Lambdanaht und der Scheitelnaht verbunden ist.
    Und im Gegensatz zu dem, was in der Bibel steht, verfügen Frauen und Männer über die gleiche Anzahl von Rippen.
    Knochen sind das, was von uns übrig bleibt, nachdem wir selbst von hinnen gegangen sind. Sie allein bieten einen bleibenden Bericht von unserem Leben.
    In der Stille und der Nüchternheit des Knochenraumes lernte Paul das erste Mal, dass Knochen Fragen beantworten können. Sie können einem ihre Geheimnisse selbst über Jahrtausende hinweg zuflüstern.
    Jetzt verstellte er die Lampen. Er trug Latexhandschuhe und wischte vorsichtig den Staub von den Knochen. Hier hatte er einen Speichenknochen, und er war unglaublich klein, als wäre es der Arm eines Kindes. Daneben lag das Stück eines winzigen Kiefers, dessen Backenzähne jedoch die eines Erwachsenen und bereits abgenutzt waren.
    Knochen bestehen hauptsächlich aus weichem Kollagen und kristallinem Calciumphosphat. Obwohl sie sich einer Veränderung und auch dem Verfall widersetzen, sind sie nur selten ohne Aussagekraft. Knochen bilden das Gerüst, an dem unser Körper hängt, und sie zeigen Spuren dieser Nahtstellen. Je stärker eine Person ist, desto deutlicher zeigt sich das an ihrem Skelett. Es gibt Foramina, Tuberkel, Rillen und Verdickungen, die hervortretenden Spuren von Muskeln und Bändern. Es gibt Anzeichen von Traumata und von Verletzungen, die wieder verheilt sind, die Beschwerlichkeiten unseres Lebens, niedergeschrieben in den Knochen. Und es gibt noch weitere Geheimnisse.
    Knochen werden vom lebenden Organismus wiederverwertet. Calcium wird in einem sich wiederholenden Muster von Erzeugung und Aufnahme abgelegt und verbraucht. Es ist ein niemals endender Zyklus von Geburt, Wachstum und Alterung, wie er sich in der gesamten Natur findet.
    Paul hörte über sich ein Geräusch, das Klatschen der Zeltplane, und erwachte aus seinen Träumen. Dann hörte er eine Stimme. »Paul?«
    »Ja«, antwortete er.
    »Sie sind heute früh auf.« Es war Gavin. »Ich hatte nicht erwartet, Sie hier unten zu sehen.«
    »Ich habe eine letzte Sache überprüft.«
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Ja. Mir geht es gut.«
    »Brauchen Sie etwas?«
    »Nein, ich bin hier fertig.« Paul stand auf und legte seine Hand auf die Leiter. Dann schaltete er das Licht aus und stieg hinauf, in das Land der Lebenden.
    So gingen die Tage dahin.
    Die Ausgrabungen wurden fortgesetzt. Es regnete weiter, und der Dschungel war heiß und laut. Ständig war das Hacken von Macheten zu hören, mit denen Feuerholz geschlagen wurde. Das Geplauder von Menschen.
    Flores.
    In der Ferne rauschte der Wae Racang gegen die Felsen, ein ständig präsentes Dröhnen, das die Hintergrundmusik zu dem Lärm in dem geschäftigen Lager bildete.
    Am vierten Tag war Paul es leid, allen bei der Arbeit zuzusehen. Er hatte seine Proben sorgfältig in ihren schützenden Behältern versiegelt. Bis keine neuen Knochen gefunden wurden, hatte er eigentlich nichts zu tun, also suchte er sich eine Arbeit. Er half den einheimischen Arbeitern dabei, Eimer mit Erde zu den Sieben zu tragen.
    Zuerst begegneten die Manggarai-Arbeiter ihm mit Argwohn, diesem fremden, großen Amerikaner mit dem asiatischen Gesicht. Aber im Laufe der Zeit gewöhnten sie sich an ihn. Sie nannten ihn Cebong Lewe , und als sie später um das Lagerfeuer

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