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Gottes geheime Schöpfung: Thriller (German Edition)

Gottes geheime Schöpfung: Thriller (German Edition)

Titel: Gottes geheime Schöpfung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ted Kosmatka
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nicht dieselbe Abstammung wie wir, nicht denselben Stammbaum, welche Bedeutung hätte der Fund dann?«
    Der rotbärtige Herpetologe stöhnte. Er hieß James. »Schluss mit diesem Mist vom Dogma der Abstammung«, sagte er.
    »Was ist es dann?«, fragte jemand.
    Sie ließen die Flasche kreisen und streiften gelegentlich Paul mit einem Blick, als wäre er ein Priester, der gekommen war, um ihnen Absolution zu erteilen, und als wäre seine Ausrüstung nur ein Symbol seiner Priesterschaft. Paul nahm einen Schluck aus der Flasche, wenn sie ihm gereicht wurde. Der Whisky war schon längst ausgetrunken. Das hier war ein einheimischer, aus Reis destillierter Schnaps. Er brannte wie Feuer.
    »Das ist die Wahrheit«, sagte der blonde Mann. Aber Paul hatte einen Teil des Gesprächs verpasst, und zum ersten Mal fiel ihm auf, wie betrunken sie alle waren; James l achte über irgendetwas, und die Frau in dem weißen Hem d drehte sich zu ihm herum. »Einige Leute haben ihnen den Spitznamen Hobbits gegeben.«
    »Was?«
    »Der Flores-Mann – der Hobbit. Sie wissen schon, diese kleinen Lebewesen, die etwa einen Meter groß sind.«
    »Tolkien wäre stolz darauf«, warf jemand ein.
    »Ein Unterkiefer, eine komplette Hirnschale, Teile eines Speichenknochens und keinen Namen.«
    »Aber was ist es?«
    »Es ist, was es ist.«
    »Genau.«
    »He, bleiben Sie noch länger?«
    Die Frage hing drei Sekunden in der Luft, bevor Paul begriff, dass sie an ihn gerichtet worden war. Die braunen Augen der Frau richteten sich von der anderen Seite des Lagerfeuers auf ihn. »Ja«, antwortete er. »Ich bleibe.«
    Dann wiederholte dieselbe Stimme: »Aber was ist es?«
    »Genau das ist die Frage, stimmt’s?«
    Paul trank einen weiteren Schluck, dachte an die Knochen und versuchte, die beunruhigende Stimme in seinem Kopf zu beschwichtigen.
    In den nächsten Tagen erfuhr Paul mehr von ihr, von der Frau in dem weißen Hemd. Ihr Name war Margaret. Sie war achtundzwanzig Jahre alt. Australierin. Mütterlicherseits hatte sie ein paar Prozente Aborigine in ihrer Familie, aber das sah man nur an ihrem Mund. Der Rest von ihr hätte holländisch sein können, englisch, was auch immer. Bis auf diese vollen Lippen. Zähne, wie die Kinder in Ruteng sie hatten, Zähne, von denen Zahnärzte manchmal schwärmen.
    Sie hatte sich ihr braunes Haar zurückgebunden, damit es ihr nicht in die Augen fiel, während sie im Loch arbeitete. Es war ihre sechste Ausgrabung, hatte sie ihm gesagt. »Aber das hier ist die entscheidende.« Sie saß auf dem Stuhl, während Paul ihr Blut abnahm, hielt ihren zierlichen Zeigefinger ausgestreckt, während eine rote Perle aus ihrer Fingerspitze hervorquoll und ihre Geheimnisse verriet.
    »Die meisten Paläontologen arbeiten ein ganzes Leben lang, ohne einen großen Fund zu machen«, sagte sie. »Vielleicht hat man mal einen besonderen Fund, wahrscheinlich aber nicht. Aber dies hier ist die besondere Ausgrabung, an der ich Anteil haben werde.«
    »Und was ist mit den Leakeys?«, fragte Paul und tupfte ihren Finger mit Baumwolle ab.
    »Pah!« Sie winkte gespielt spöttisch mit der Hand. »Die zählen nicht. Das sind die verfluchten Kennedys der Paläontologie.«
    Unwillkürlich musste Paul lachen.

10
    »Diese jüngsten Beweise führen uns zum sogenannten Dogma der allgemeinen Abstammung, wonach jede Spezies als eine einzigartige und individuelle Schöpfung betrachtet wird, unabhängig von allen anderen. Infolgedessen sind alle Menschen, die lebenden und die toten, Nachfahren eines gemeinsamen, einmaligen Schöpfungsaktes. Sich außerhalb dieses Stammbaums zu befinden, ganz gleich, wie groß die äußere Ähnlichkeit auch sein mag, bedeutet, etwas anderes zu sein als ein Mensch.«
    Journal der Heredität
    Knochen sind wie Texte. Sie teilen ihre Geschichte denen mit, die in der Lage sind, sie zu entziffern.
    In seiner Anfangszeit bei Westing hatte Paul oft bis spät in die Nacht hinein gearbeitet. Er hatte viele Nächte im Knochenraum verbracht, wo er die Überreste der Skelette sorgfältig auf dem sauberen, blauen Filz ausgelegt, die einzelnen Teile sortiert und zusammengelegt hatte. Dabei hatte er die Knochen vor sich mit dem Gesamtbild abgeglichen, das er in seinem Kopf hatte.
    Doch als er jetzt allein auf dem Grund von Gavins Grube saß, stellte er fest, dass sich kein Bild in seinem Kopf formte. Er betrachtete die Knochen, aber diesmal ließ seine Fantasie ihn im Stich. Die Lampen warfen seltsame Schatten über diese Phalanx aus porösem,

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