Gottes geheime Schöpfung: Thriller (German Edition)
diese Liste?«
»Aus dem Papierkorb in Charles’ Büro.«
»Also arbeitest du da jetzt als Putzfrau?«
»Nur in meiner Freizeit«, antwortete Paul.
»Warum willst du wissen, was diese Namen bedeuten?«
»Ich versuche herauszufinden, woran Charles gearbeitet hat.«
Hongbin schwieg lange. »Ich arbeite jetzt seit sechs Jahren hier«, meinte er dann.
Paul beobachtete Hongbin, als der die Kernproben zur Seite legte und die eingewickelten Knochen wieder in ihren schützenden Plastikhüllen verstaute.
»Ich habe ein Kind und einen Beruf«, fuhr Hongbin fort. »Ich trage Verantwortung. Ich habe eine Hypothek. Du hast mich gefragt, ob ich wüsste, woran Charles gearbeitet hat, bevor er nicht mehr zur Arbeit kam. Die genaue Antwort lautet: Ich will es gar nicht wissen.«
»Verstehe«, meinte Paul. Er faltete das Papier wieder zusammen und schob es in seine Tasche.
»Da bin ich mir nicht so sicher. Was ich nämlich sagen will, ist, dass du es vielleicht besser auch nicht wissen wollen solltest.«
»Das ist genau das Problem«, meinte Paul. »Ich will es wissen.«
»Du solltest lieber die Finger davonlassen.«
»Und was, wenn ich das nicht kann?«
»Nicht können? Nicht können gibt es nicht.«
»Und was, wenn ich es nicht will?«
»Dann musst du vorsichtig sein.«
»Das werde ich.«
»Erheblich vorsichtiger als gerade eben.«
Zurück in seinem Büro betrachtete Paul das zerknitterte Blatt Papier. Als er an seinem Schreibtisch saß, googelte er die ersten Namen auf der Liste.
Der erste Name lautete: Grayson-Gruppe. Das war ein Forschungslabor in Deutschland. Zweihundert Beschäftigte.
Der zweite Name war: das Smith Museum. Trotz dieses Namens war es ein privates Lager für Knochenreste und für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Der dritte Name, Carner Laboratorien, bezeichnete ein Forschungslabor in Österreich. Es war in Privatbesitz und hatte sechzig Beschäftigte. Es stellte Ausrüstungen für Gentests her.
Nachdem er etwas länger gegoogelt hatte, entpuppte sich der vierte Name als ein pharmazeutisches Labor in Texas. Es besaß nur eine Webadresse und eine postlagernde Adresse, und es waren keinerlei Beschäftigte aufgeführt. Keine der Firmen schien mit irgendeiner der anderen etwas zu tun zu haben.
Paul ging die Liste weiter durch. Das Field Museum.
Das Field Museum.
Er war einmal da gewesen, vor langer Zeit. Heiliger Boden für all jene, die sich für seltsame Knochen interessierten.
Archäologie und vor allem Paläontologie waren eine kleine Welt für sich. Alles verwies im Kreis auf sich selbst, und die Kreise wurden immer kleiner, je höher man ging.
Er tippte den Namen in die Suchspalte. Dann klickte er einmal, zweimal. Die nächste Seite leitete ihn weiter auf eine Website.
Ein blauer Wal diente als Briefkopf. Darunter kamen Dinosaurier, und die Skyline von Chicago bildete den Hintergrund. Dann kam das übliche Museumsmenü: Jüngste Ausstellungen, künftige Attraktionen. Etwa auf der Hälfte der Seite war das Spezialprogramm aufgeführt, und darunter befand sich etwas, das Spaß für Kinder versprach.
Er stöberte im Spezialprogramm, aber nichts sprang ihm als sonderlich auffällig ins Auge.
Am unteren Rand des Bildschirms klickte er auf den Über-uns-Knopf. Er wählte »Unsere Angestellten« und scrollte dann durch die Namen. Elf Seiten mit Namen. Elf Seiten Jobbezeichnungen. Biologen, Zoologen, Kuratoren, ein Dutzend anderer Titel. Eine Armee von Schaffenden, Seite um Seite lächelnde Museumsangestellte.
»Ah«, sagte er, als er sie sah. Dann erinnerte er sich.
Deshalb war ihm der Name aufgefallen.
»Natürlich.«
Es gab nur eine begrenzte Zahl von Orten, an denen talentierte, ehrgeizige Studenten landen konnten. Er hatte gehört, dass sie nach ihrer Doktorarbeit eine Weile an der Universität gelehrt hatte. Und dann in einem Museum angefangen hatte zu arbeiten.
Mitten auf einer Seite mit winzigen Porträtfotos befand sich ein kleines Bild, das seine Aufmerksamkeit erregte: das Foto einer dunkelhaarigen Frau und darunter der Name und die Berufsbezeichnung. Lillivati Gajjar, Forschungsassistentin, paläografische Analyse.
In dieser Nacht nahm Paul den langen Heimweg. Er holte eine Flasche billigen Rotwein aus dem Kühlschrank und schenkte sich ein Glas ein. Das wurde schnell leer, also füllte er es neu. Und noch einmal. Und wieder.
Er sah James, der in der Sonne stand. Herpetologie, Mann.
Er fühlte, wie der Stahl in sein Auge drang, hörte das Geräusch in seinem Kopf,
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