Gottes geheime Schöpfung: Thriller (German Edition)
versteckte er sich.
Paul warf einen Blick auf den Aktenschrank und dachte an die leere Stelle, wo der letzte Ordner entfernt worden war. »Warum bist du untergetaucht, Charles?«, sagte er laut. »Was hat dich dazu getrieben, so hastig zu verschwinden?«
Er starrte auf die Formeln an der Tafel, die Charles in seiner unleserlichen Handschrift dort hingekritzelt hatte. »Auf was bist du gestoßen?«
21
Knochen können nicht lügen.
Knochen haben keine Meinung, keine kulturelle Voreingenommenheit. Man kann ihre Existenz auch nicht wegdiskutieren. Ob man aufhört, an Knochen zu glauben, bemerken Knochen nicht, und es kümmert sie auch nicht. Sie werden trotzdem da sein, im Boden vergraben oder in einem Museum, eine Antwort durch ihre bloße Existenz.
Paul stand in der Tür des Knochenlabors und sah zu, wie Hongbin die neueste Kiste mit Proben auspackte. Seit seiner Versetzung war er nicht mehr hier unten gewesen. Er klopfte an die Tür.
»Ah, schon wieder zurück?«
»Was soll ich sagen? Ich habe dich vermisst.«
»Das war ohnehin nur eine Frage der Zeit«, gab Hongbin zurück. »Wie läuft es so?«
»Gemächlich. Es ist Montag.«
»Du musstest unbedingt den Gipfel dieser Handlungsenergiepyramide erklimmen, ja?«
»So in etwa.«
»Wie behandelt man dich im vierten Stock? Ist alles da genauso, wie wir es uns immer erträumt haben?«
»Das und mehr.«
»Also fließt dort tatsächlich Champagner aus den Wasserspendern?«
»Selbstverständlich nicht. Wir schlürfen unseren Champagner aus Messkolben wie alle zivilisierten Leute.«
Hongbin schüttelte traurig den Kopf. »Du bist genau wie die anderen. Du machst nur wegen des Ruhmes mit.«
Paul trat ein paar Schritte in das Labor und legte einen braunen Umschlag auf die Laborbank. »Aber wie ich sehe, tobt hier im Knochenlabor die wirkliche Action. Was hast du denn da?«
Hongbin zuckte mit den Schultern. »Das Übliche«, erwiderte er. »Codierte Proben. Ich habe keine Ahnung, worum es sich handelt.«
»Sie wollen die gesamte Präparation?«
»Den ganzen Mist.«
Paul machte sich nützlich und half Hongbin, die Polsterung aus der Kiste zu räumen. Am Ende hatten sie zwei menschliche Oberschenkelknochen, den kleinen Teil eines Beckens sowie die mittleren und distalen Tarsenglieder. Es fühlte sich gut an, wieder im Knochenraum zu sein. Die Proben hätten von überall her kommen können. Sie hätten a us einer römischen Begräbnisstätte stammen können, o der sie waren vielleicht einem unerwarteten Fund bei einer Baustelle irgendwo in den Vereinigten Staaten zu verdanken. Westing war das nächste logische Ziel, nachdem der Gerichtsmediziner bestätigt hatte, dass sie nicht als Beweismittel infrage kamen, was hieß, dass sie wahrscheinlich amerikanischen Ureinwohnern gehörten und alt waren.
»Weiblich?«, fragte Hongbin.
»Oder aber ein sehr zierlicher Mann.« Einige Volksgruppen waren geradezu dafür berüchtigt, dass es bei ihnen besonders schwierig war, den Unterschied festzustellen.
Paul studierte die Oberschenkelknochen.
Knochen veränderten sich nicht, um sich an eine Theorie anzupassen. Wenn die Theorie nicht zu den Informationen passte, die die Knochen gaben, dann würden diese Knochen weiterexistieren und jeder Theorie auf ewig widersprechen. Wie ein Dorn im Gehirn.
Bei der DNA ist es genauso.
»Wie viele Bohrungen musst du machen?«, erkundigte sich Paul.
»Zwei sollten genügen. Hast du schon einen Tipp, was den Typus angeht?«
Paul betrachtete die Knochen prüfend. »Erwachsene Exemplare. Mehr kann ich nicht sagen.«
»Welche Ethnie?«
»Ich habe nicht den leisesten Schimmer«, gab Paul zu.
Er berührte die Knochen.
Jede Bevölkerung ist mit jeder anderen Bevölkerung verwandt. Die Wissenschaft sagt uns, dass wir alle von einer einzigen Person abstammen, der Wurzel des Baumes der menschlichen Vielfalt, auf die alle Populationen zurückführbar sein müssen.
Mittels Radiokarbondatierung hat man das Alter der Erde festgelegt; also hat man ein Anfangsdatum, wann diese Verschiedenheit begonnen haben muss. Seitdem das genaue Alter der Erde bekannt ist und die gegenwärtige genetische Verschiedenheit getestet werden kann, ist es relativ einfach, die Mutationsrate zu berechnen, die diese Verschiedenheit hervorgebracht haben muss. Es ist einfache, unausweichliche Mathematik. Man nehme die Zahl der Jahre, die verstrichen sind, seit die gesamte menschliche Population nur eine Person war, und multipliziere sie mit der
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