Gottes geheime Schöpfung: Thriller (German Edition)
habe ich etliche Generationen durchgehalten und dabei immer die Mäuse mit der wenigsten Farbe zurückbehalten. Ein halbes Dutzend Generationen später bemerkte ich die hängenden Ohren. Die Ohren waren klein und deformiert. Das Knorpelgewebe hatte sich nicht richtig entwickelt. Ich habe diese Maus mit anderen eng verwandten Mäusen gekreuzt und hatte dann schon bald einen ganzen Stamm von Mäusen mit hängenden Ohren.«
»Wie lange machst du das schon?«
»Seit mehr als einem Jahr. Seit sieben Generationen.«
Er griff in den Käfig und nahm eine Maus heraus. Sie war fast ganz weiß und hatte nur einen winzigen Farbfleck auf dem Rumpf.
»Sie ist so ruhig«, sagte sie, während sie den kleinen Nager in seiner Hand betrachtete.
»Das ist ein weiterer Aspekt«, meinte er. »Die ganze Rasse ist sehr friedlich. Sie scheinen kaum Angstreaktionen zu zeigen. Und sie sind auch irgendwie ein bisschen langsam.«
»Hast du sie diesbezüglich gezüchtet?«
»Nein, ich habe sie auf ein Maximum an weißen Flecken hin gezüchtet. Die hängenden Ohren und die Friedfertigkeit scheinen einfach zufällig entstanden zu sein.«
Ihre Miene wurde ernst. Sie schwieg einen Moment. »Es gibt etwas, das du sehen musst«, sagte sie dann und nahm seine Hand.
»Jetzt?«
»Jetzt.«
Sie ging mit ihm zur Forschungsbibliothek und schloss die verbotene Tür auf.
»Ich dachte, du sagtest, du könntest mir nicht zeigen, was sich in diesem Raum befindet.«
»Du musst das einfach sehen«, erwiderte sie.
Sie führte ihn durch einen schmalen Gang und öffnete eine Gittertür.
»Das sind die verbotenen Bücher«, sagte sie.
Sie traten in den winzigen Raum. Jede verfügbare Fläche schien mit Büchern besetzt zu sein, vom Boden bis zur Decke. Sie lagen in Stapeln auf dem Boden, waren zu großen Säulen aufgeschichtet. Es gab Bücher von Charles Lyell , Friedrich Nietzsche, Asa Gray, Thomas Henry Huxley. Pauls Blick fiel auf ein Exemplar von Philosophie Zoologique, The Principles of Biology, und sogar eine mitgenommene, uralte, ledergebundene Ausgabe von Modern Synthesis. Und es gab noch viele andere Bücher, deren Autoren und Titel ihm nicht bekannt waren.
»Warum behält man sie hier?«
»Nun, es sind Bücher. Man kann sie schließlich nicht verbrennen. Das ist immer ein PR -Albtraum. Aber man kann sie immerhin so wegsperren, dass kein Unbefugter sie lesen kann.«
Paul stellte sich die geheimen Aufbewahrungsorte von Büchern überall auf der Welt vor, die versteckt werden mussten. Wie viele andere Bücher waren noch hinter verschlossenen Türen aufgestapelt?
Sie ging zu einem ganz bestimmten Regal und überflog die Titel dort.
»Hier ist es«, sagte sie. Sie öffnete das Buch und blätterte darin.
»Was ist das?«
»Eine wissenschaftliche Monatszeitschrift. In Buchform gebunden. Ah, da haben wir es ja!«
Sie klappte das Buch auf und legte es auf den Tisch mitten in dem Raum. »Die Füchse«, sagte sie.
Paul sah hin. Wie sie gesagt hatte, schien es ein Forschungsbericht über Füchse zu sein.
»Ich nehme an, du hast das schon gelesen?«
»Ich habe viele dieser Bücher gelesen.«
»Ich dachte, du hättest gesagt, sie wären das Risiko nicht wert.«
»Ich meinte dich damit. Das Risiko für dich.«
»Und warum zeigst du sie mir jetzt?«
»Weil du bereits in Gefahr schwebst.«
Paul betrachtete den Artikel genauer.
»Die Übersetzung aus dem Russischen steht auf der Schwarzen Liste der verbotenen Bücher«, sagte sie, »nicht aber die eigentliche Untersuchung. Folglich wird dieser Artikel gelegentlich zitiert, aber die ursprünglichen Forschungsergebnisse sind nicht verfügbar. Es ist eine merkwürdige Grauzone. Das ist eine der wenigen englischen Übersetzungen.«
»Kann ich das mit nachhause nehmen?«
»Bist du wahnsinnig? Das Buch darf diesen Raum nicht verlassen. Lies es hier.«
Paul setzte sich an den Tisch und las. Lilli setzte sich in einen Stuhl und schlief ein, den Kopf auf den Tisch gelegt.
Er brauchte anderthalb Stunden, um den Artikel durchzulesen. Dann verstand er auch, warum sie unbedingt gewollt hatte, dass er ihn las.
Er weckte sie.
»Sie haben also zahme Füchse gezüchtet.«
Sie richtete sich auf und rieb sich die Augen.
»Sie haben sie auf ihre Friedfertigkeit hin gezüchtet«, fuhr er fort, »und sie haben weiße Flecken auf dem Fell und hängende Ohren bekommen.«
Sie nickte. »Als Nebeneffekt.«
»Und meine Mäuse habe ich auf maximale weiße Flecken hin gezüchtet und habe Friedfertigkeit und
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