Gottes Gehirn
.“
„Sie können“, sagte Troller, obwohl er sah, dass die Kollegen aus den vorderen Wagen bereits drohende Mienen machten. „Und ich verspreche Ihnen, das wird die Tour der Woche.“ In Windeseile hatte er das Gepäck verstaut und saß neben Jane auf dem Rücksitz. „Fahren Sie erst mal los.“
„Wohin?“
„Ich sag’s Ihnen dann schon.“
Der Fahrer murmelte etwas auf Spanisch, das ebenso Fluch wie Gebet sein konnte, und ließ sich von Troller durch die Straßen dirigieren. Immer wieder schaute Troller sich um und versuchte herauszufinden, ob sie verfolgt wurden. Von einem einzelnen Wagen nicht, so viel war sicher, aber womöglich wechselten sich zwei oder drei Autos in der Verfolgung ab?
„Okay“, sagte Troller, nachdem er den Fahrer eine Weile wahllos durch die Straßen gehetzt hatte. „Fahren Sie jetzt aus der Stadt hinaus zur nächsten Amtrak-Station.“
„Soll das ein Witz sein? Da kommen wir doch gerade her.“
„Das weiß ich auch“, sagte Troller barsch. „Aber ich will eine, die hundert Meilen weiter westlich liegt.“
Das Gesicht des Puerto-Ricaners hellte sich auf. „Nach Osceola? Das wird teuer, Mann.“ Und mit verschwörerischem Grinsen: „Darf ich fragen, was Sie auf dem Kerbholz haben?“
„Ich habe einen Taxifahrer zum Schweigen gebracht.“
„Okay, okay“, sagte der Puerto-Ricaner. Und nach einer Weile: „Die Tour dauert mindestens zwei Stunden. Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich etwas Musik höre?“
„Im Gegenteil. Es würde mich sogar freuen.“
„Hör mal“, sagte Jane leise, „wo geht’s jetzt eigentlich hin?“
„Nach San Francisco.“
„Warum?“
„Erklär ich dir später.“
Der Fahrer hatte das Radio angemacht. Eine merkwürdige Musik kam aus den Lautsprechern. Irgendwas, das nach australischen Aborigines klang oder nach den Osterinseln. Oder – indianisch? Troller kannte sich da nicht so aus. Weltmusik nannte man das wohl. Nangnang-nang-wong-nang-nang-nang. Es war fremdartig, disharmonisch, monoton.
Dem Fahrer schien es zu gefallen. Er nahm die rechte Hand vom Steuer und schnippte im Takt mit, als handelte es sich um den neuesten Discohit.
„Haben Sie nicht was anderes?“, fragte Jane genervt. „Irgendwas, das nach Musik klingt?“
„Das ist Musik“, sagte der Fahrer begeistert und schnippte weiter. „Das ist der Megahit! War über Nacht die Nummer eins in allen Charts!“
„Dieses eintönige Gedudel?“
„Wenn Sie’s nicht glauben, dann hören Sie doch die anderen Sender!“
„Das ist genau das, worum ich Sie bitte.“
„Okay, wie Sie wollen.“ Er drückte auf eine Taste und hatte den nächsten Sender drin. Ein Sprecher beendete gerade seine Ansage, dann kam die Musik. „Das ist der Nummer-zwei-Hit“, rief der Fahrer. „Der Sänger heißt Yothu Yindi. Und wenn ich den nächsten Sender wähle, dann hören Sie entweder wieder die Nummer eins oder von derselben Gruppe die Nummer drei. Es gibt nichts anderes mehr im Radio. Wozu auch? Ist doch super.“ Er schaltete zurück zum Nangnang-nang.
„Und wie heißt die Gruppe?“, fragte Troller.
„Songliners“, sagte der Fahrer in einem Tonfall, als sei Troller der einzige Mensch auf dieser Erde, der diese Band noch nicht kannte.
„Klingt irgendwie pythagoreisch“, murmelte Jane.
„Ich würde sogar sagen: präpythagoreisch“, sagte Troller.
„Okay“, sagte Jane und beugte sich zum Fahrer vor. „Haben Sie auch ’ne Kassette mit klassischer Musik? Madonna, Michael Jackson, Britney Spears, Elton John?“
„Meredith Brooks kann ich bieten“, sagte der Fahrer. „War bis vor ’n paar Tagen meine Lieblingsmusik. Aber jetzt . . .“
Er legte die Kassette ein.
Troller hörte zunächst nur mit halbem Ohr hin, aber schon bald nahm die Musik ihn gefangen. Den Refrain kannte er. Zwar nicht den Text, aber die Melodie! Es war der Song, den Jane seit Tagen vor sich hinsummte. Er hatte sich die ganze Zeit gefragt, was für eine Musik das wohl sei. Und nun hörte er sie. Das war Janes Song:
I’m a bitch, I’m a lover, I’m a child, I’m a mother, I’m a sinner, I’m a saint, I’ don’t feel ashamed, I’m your hell, I’m your dream, I’m nothing in between . . .
Zweieinhalb Stunden später standen sie auf dem Bahnhof von Osceola und warteten auf den California Zephyr, der von Chicago nach San Francisco fuhr. Abfahrt 21.40 Uhr. Ankunft in San Francisco zweiunddreißig Stunden später. Also übermorgen früh um sechs.
„Jetzt kannst du’s mir ja verraten“, sagte Jane, während sie
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