Gottes Gehirn
für einen Informations- und Fototermin zu Beginn zugelassen. Der Autor des Artikels war damit natürlich nicht einverstanden gewesen.
„Ist das Wohl der Menschheit Geheimsache?“, fragte er. „Dient die Konferenz wirklich dem hehren Ziel, das Phineas Blake uns selbstherrlich in die Feder diktierte, oder verfolgen die Organisatoren in Wirklichkeit andere Zwecke? Und was für eine Rolle spielt Jeff Adams dabei?“
Das würde ich auch gern wissen, dachte Troller. Jeff Adams, der schon damals milliardenschwere Software-Gigant, war der Sponsor der Konferenz gewesen. Warum? Was hatte er sich davon versprochen?
Fast bedauerte Troller, dass der Stau sich auflöste. Die Leute vor ihm ließen die Motoren an und sausten los, als wollten sie der verlorenen Zeit nachjagen. Troller sauste hinterher.
Kurz vor acht bog er von der Landstraße ab. Sein Volvo holperte über das Kopfsteinpflaster der Seestraße, die nach zweihundert Metern durch ein dunkles Waldstück den Blick auf das Wasser freigab. Es war jedes Mal von neuem ein Glück, hier anzukommen, besonders wenn die Sonne schien, aber auch jetzt noch, wo der See wie ein rätselhaftes Wesen in der Dämmerung vor ihm lag. Troller fühlte, wie er sich entspannte, wie der Schmerz über Kranichs Tod nachließ und das Geheimnis, das ihn umgab, ein wenig an Bedeutung verlor.
Troller fuhr an zwei Hotels und den dazwischen liegenden Wohnhäusern vorbei und hielt vor einem rau verputzen Haus, das durch das Erkerzimmer in der Mitte des Hochparterres und der ersten Etage in drei Partien unterteilt war, beinahe wie ein Schloss mit Seitenflügeln.
Troller sperrte die Haustür auf, ging in die Küche, öffnete eine Flasche Wein, probierte einen Schluck, um zu sehen, ob er einen Fehler hatte, und trug Flasche und Glas hinauf ins Erkerzimmer. Ein Glas würde er jetzt trinken. Dann würde er hinübergehen ins Restaurant. Sein Blick fiel auf die Akte.
Mach dir nichts vor, dachte er, du kommst doch nicht davon los. Kranich war dein Freund. Du kannst nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Er hat etwas über Eklunds Tod gewusst. Sie kannten sich zumindest von der Blake-Konferenz. Also versuch gar nicht erst zu denken, dass das alles Zufall ist. Schau dir wenigstens an, was Kowalski alles gefunden hat.
Er nahm die Akte und ging ins Restaurant des Seeschlösschens nebenan. Die Kellnerin, eine zierliche Person mit kurzen roten Haaren, begrüßte ihn halb als Nachbarn, halb als Gast. Sie war immer so freundlich zu ihm, dass es ihn ganz verlegen machte. Er wünschte sich manchmal, er hätte den Mut, sie zu fragen, ob sie nicht mal an ihrem freien Tag mit ihm an die Ostsee fahren wollte. Aber er war auch wieder nicht sicher, ob er sie noch so begehrenswert finden würde, wenn er mit ihr allein wäre.
Er bestellte ein auf der Haut gebratenes Zanderfilet mit Safransauce und ein Glas sächsischen Weißburgunder. Während er auf das Essen wartete, nahm er sich die Akte vor. Erst jetzt sah er, dass Kowalski Dossiers über alle Teilnehmer der Blake-Konferenz zusammengestellt hatte. Eine abenteuerliche Mischung hatte Blake da zusammen gebracht. Genforscher, Neurophysiologen, Militärforscher – alles, was dazugehörte, wollte man über die drängendsten Probleme der Welt konferieren. Als er Behrmans Dossier entdeckte, erinnerte er sich daran, wie er ihn vor ein paar Jahren auf dem Einstein-Forum kennen gelernt hatte. Nach der Veranstaltung waren sie in einer Musikkneipe gelandet, in der eine Jamsession stattfand. Behrman hatte einem Tenorsaxophonisten sein Instrument abgeschwatzt und dafür gesorgt, dass Troller auf einmal eine Gitarre in der Hand hatte. Und dann ging’s los. Sie hatten eine Ewigkeit zusammen improvisiert und waren die ganze Zeit auf derselben Welle geritten. Unglaublich war das. Oder waren sie beide nur blau gewesen?
Troller las weiter in dem Bericht. Blake sei es darum gegangen, schrieb der Reporter, die zersplitterten Wissenschaften wieder zusammenzuführen und die verloren gegangene Einheit des Wissens wiederherzustellen. Genau das hatte Kranich auch gesagt.
Warum bin ich bei den Recherchen für mein Buch nicht auf Blake gestoßen, dachte Troller. Blake war es immerhin gelungen, die namhaftesten Wissenschaftler aus aller Welt zusammenzubringen, und zwar aus demselben Interesse, das auch Troller in seinem Buch verfolgte.
Er aß sein Zanderfilet, zahlte, ging hinüber ins Haus und machte sich nun systematisch über die Dossiers der Wissenschaftler her, die an der
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