Gottes Gehirn
durch die Informationsnetze bewegen, wir könnten per Mausklick durchs Internet reisen, von Boston nach Berlin, von Berlin nach Tokio, von Tokio nach Rio de Janeiro, uns dort einen neuen Leihkörper suchen und uns, wenn wir Lust dazu haben, ein bisschen in der realen Welt herumtreiben. Ist das nicht phantastisch?“
„Click and live“, sagte Jane. „Ihr Forschungsprogramm ist wirklich genial.“
„Man muss nur den Mut haben, es zu denken“, sagte Lansky geschmeichelt und nahm einen Pfirsich von einer kunstvoll geschnitzten Holzschale, die auf seinem Schreibtisch stand. Er biss hinein, hielt plötzlich inne und schaute Jane verschwörerisch an: „Wenn ich ein Roboter wäre, wurde ich mich jetzt einfach an den Strom hängen.“ Lansky zeigte mit beiden Händen auf eine Steckdose: „Essen ist doch eine Steinzeitbeschäftigung.“
„Aber auch ein Vergnügen“, wandte Jane ein.
„Ob etwas Vergnügen oder Pein ist, hängt davon ab, wie wir programmiert sind. Mit einer anderen Software im Kopf hätte ich auch an anderen Dingen Spaß. Vielleicht würde ich dann gern an der Steckdose hängen.“
„Aber soweit ich weiß“, sagte Troller, „sind Sie und Ihre KI-Kollegen weit davon entfernt davon, einen Computer zu bauen, der auch nur annähernd die Komplexität des menschlichen Gehirns besitzt.“
„Ach ja?“, sagte Lansky vergnügt und biss erneut in seinen Pfirsich. Das Steinzeitding schien ihm zu schmecken. Besser als ein Stromstoß jedenfalls.
„Ihr Kollege Weizenbaum behauptet, zwar könne die Intelligenz eines Computers größer sein als die des Menschen, aber sie sei anders. Um Mensch zu werden, müsse ein Mensch von Anfang an als Mensch behandelt werden. Insofern sei es eine Täuschung zu glauben, Computer könnten eines Tages unsere Form der Intelligenz erreichen.“
Zum ersten Mal schien Lansky aus der Fassung zu geraten. Sein Kopf lief rot an, er schluckte, lief unruhig hin und her und ballte die Hände zu Fäusten: „Der behauptet das einfach. Woher weiß er das denn? Hat Weizenbaum denn überhaupt eine Ahnung davon, wie man eine intelligente Maschine baut? Und wie man mit ihr umgeht? Er redet nur irgendwas daher, weil er weiß, dass die Leute das hören wollen.“
„Wie man mit ihr umgeht?“, fragte Jane. „Wie geht man denn mit ihr um?“
Lansky verschränkte die Arme hinter den Kopf und leckte sich die Lippen. „Eine Maschine, die ein quasi-menschliches Bewusstsein entwickeln soll, muss auch die menschliche Individualentwicklung nachahmen.“
„Sie meinen, sie muss als Baby beginnen?“
„Natürlich. Sie muss als Baby beginnen und allmählich heranwachsen, genauso wie wir.“
„Der lernende Computer?“
„Aber ja. Sie kennen das doch von Ihrem eigenen PC, wenn er ein Spracherkennungsprogramm hat oder ein Lexikon. Sie können ihm Sachen beibringen. Er lernt. Unsere Computer lernen darüber hinaus auch, selbstständig zu lernen. Wie Kinder. Wie Erwachsene. Wir spielen mit ihnen, wir trainieren sie, wir lassen sie Filme gucken und so fort.“
„Hat Z 1227 etwa auch Tarzanfilme gesehen?“
„Kann sein“, sagte Lansky. „Er hängt den ganzen Tag vor der Glotze. Das bereitet mir schon Sorgen. Zu viel Fernsehen ist ungesund.“
„Ich möchte“, sagte Troller, „noch auf ein, zugegeben recht altes, aber doch sehr hartnäckig verfochtenes Argument zu sprechen kommen: Es besagt, dass Computer immer nur das tun können, wofür sie programmiert sind. Sie sind nicht schöpferisch, sondern bleiben letztlich immer eindimensional. Das menschliche Gehirn dagegen kann sich in einer unbekannten, sich ständig verändernden Umwelt orientieren. Es ist mit dem Nervensystem unseres gesamten Körpers verbunden und weit mehr als eine bloße Rechenmaschine: ein komplexes Organ, das sich ein Bild von der Welt macht.“
„Na und?“, fragte Lansky. Was ihn mehr beschäftigte, war offenbar die Frage, was er mit dem Pfirsichkern anfangen sollte. Wegwerfen? Aufbewahren? In seinem Gesicht machte sich Verzweiflung breit.
Troller fuhr fort: „Computer – so diese Kritiker – werden mit paradoxen oder vielschichtigen Situationen nicht fertig. Sie könnten nicht wie wir einen Spaziergang machen, dabei die Vögel hören, die Blumen riechen, dem nächsten Hundehaufen ausweichen und entscheiden, ob sie über die Straße gehen sollen, schon gar nicht, wenn zugleich noch ein Bekannter vorbeikommt und ein Schwätzchen halten will. In einer solchen Situation würden sich die Dinger tot rechnen. Der Mensch dagegen sei
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