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Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Titel: Gottes kleiner Finger - [Thriller] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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gewusst hätte. Wenn ihr Vater noch leben würde.
    Sie betrachtete die Sonnenscheibe und Gottes Kleinen Finger und nahm ein kleines Notizbuch und einen Stift aus ihrer Tasche. Sie fertigte eine Skizze von dem Anblick, der sich ihr bot. Ihre Striche waren rasch, präzise und stark.
    »Ganz gut«, kommentierte die Stimme der jüngeren Frau hinter ihr.
    »Danke, Raphaela«, antwortete Razia al-Qasreen.
    Zugleich aber spürte sie, wie die Verzweiflung ihr die Kehle zuschnürte, und obgleich sie nicht wusste, ob dort oben jemand war oder nur die geräuschlose Leere des Himmels sie anstarrte, sandte sie in Gedanken ein kleines, rasches Gebet zu den Wolken empor.
    Nur für den Fall, dass es etwas Größeres gab als den Menschen. Dass jemand, der größer war als sie, sie hörte und ihr helfen wollte. Denn sie wusste, dass sie jetzt all die Hilfe brauchen würden, die die möglichen höheren Mächte ihnen zu geben bereit waren.

9
    Lauri versuchte verzweifelt, seine Gedanken zu ordnen. Er hielt den Atem an, denn was Schrader gerade dargelegt hatte, war niederschmetternd. Da muss ein Fehler sein, irgendwo, dachte er fieberhaft.
    »Wie viel Megawatt Strom würde Ihr futuristisches Sonnenkraftwerk produzieren?«, fragte Lauri zerstreut. »Zehn? Hundert?«
    »Ach, viel mehr«, sagte Schrader. »Mindestens tausendzweihundert Megawatt.«
    »Das ist zweifellos ziemlich viel für ein einziges Sonnenkraftwerk«, räumte Lauri ein. »Aber ich glaube, dass die Zukunft des Sonnenstroms in der konzentrierenden Fotovoltaik und in modernen thermoelektrischen Zellen liegt. Ich glaube nicht recht, dass Sonnenwindkraftwerke genauso billigen Strom produzieren können.«
    Lauri hatte erwartet, dass Schrader gekränkt reagieren würde, aber auf ihrem Gesicht erschien ein breites, strahlendes Lächeln.
    »Ein Sonnenwindkraftwerk hat einige zusätzliche Vorteile«, sagte sie.
    »Zum Beispiel?«, fragte Lauri herausfordernd.
    Schrader antwortete nicht, sondern entnahm ihrem Aktenkoffer eine große Landkarte von Ägypten. Sie entfaltete sie auf dem Tisch des Speisezimmers.
    »Ich hoffe, es ist Ihnen recht?«, fragte sie Katharine.
    »Aber natürlich.«
    »Wir sollten vielleicht von hier, von der Qattara-Senke, ausgehen.«
    Schrader klopfte mit dem Zeigefinger auf einen tiefgrünen, länglichen Fleck in der nordwestlichen Ecke der Karte. Lauri las: Qattara Depression. Neben dem Namen stand die Zahl 133, davor ein Minuszeichen.
    »Die Qattara-Senke«, sagte Lauri. »Liegt sie wirklich mehr als hundert Meter unter dem Meeresspiegel?«
    Schrader nickte.
    »Ja. Beziehungsweise ihr tiefster Punkt. Insgesamt liegen dort etwa fünfzigtausend Quadratkilometer unterhalb des Meeresspiegels. Hier, am westlichen Ende der Senke, befindet sich Wahat Siwah, die Oase Siwa. Der Ort, wo wir unser Sonnenkraftwerk errichten, liegt hier, also westlich dieser kleinen Hügel, grob geschätzt hundertfünfzig Kilometer südsüdwestlich von der Oase Siwa.«
    Die Qattara-Senke?, überlegte Lauri. In welchem Zusammenhang hatte er diesen Namen schon gehört?
    Annelies Schrader las seine Gedanken.
    »Richtig, die Schlacht von El Alamein«, sagte sie.
    Lauri stand auf und ging zum Fenster. Er betrachtete die am Himmel treibenden hellen Wolkenfetzen und versuchte, seine Gedanken zu sammeln.
    »Der Sonnenstrom wird auf jeden Fall den großen Durchbruch erleben«, sagte er. »Und mit Sicherheit auch ohne mich.«
    »Wenn wir mit der Sonne nicht auch Nachtstrom produzieren können, dann kann das Szenario, das wir vorhin entworfen haben, Wirklichkeit werden«, behauptete Schrader.
    »Ihr Dingsda kann auch Nachtstrom produzieren?«, fragte Lauri erstaunt.
    »Man kann die Produktion sogar auf die Nacht konzentrieren«, versicherte Schrader. »Außerdem ist das Projekt gleichsam Teil eines viel umfassenderen Komplexes. Uns geht es eigentlich darum, mit einem Schlag das ganze Problem der Klimaerwärmung zu lösen.«
    »Wie bitte?«, staunte Lauri.
    Hatte er sich verhört?
    »Vielleicht sollte ich mich erkundigen, ob Sie jemals am Nakuru-See in Kenia gewesen sind?«, fragte Schrader.
    Lauri erbebte. Denk an Nakuru. Aber das war doch nur ein Traum gewesen!
    »An einem kleinen See gibt es dort mehr große Vögel als in ganz Europa«, bemerkte Annelies Schrader. »Das stimmt einen nachdenklich, nicht wahr?«
    Was soll ich darauf antworten?, dachte Lauri. Soll ich das nur deswegen bejahen, weil Alice im Traum vom Nakuru-See zu mir gesprochen hat?
    Schrader sah, dass Katharine ihr Gespräch von

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