Gottes kleiner Finger - [Thriller]
irgendwo sehr weit her, Lichtjahre entfernt, ertönte ein knatterndes Geräusch, und Lauri hörte, wie etwas über ihn hinwegpfiff. Als er sich anstrengte, um aus dem Fenster zu blicken, sah er, wie einige Dutzend Meter entfernt kleine Sandwirbel vom Boden aufstiegen. Er begriff, dass auf ihn geschossen wurde, dass aber der Hang zu steil war. Er war außerhalb des Schusswinkels, zumindest so lange, wie seine Verfolger nicht zu ihm herunterkamen. Aber er müsste schnell aus dem Auto heraus.
Lauri versuchte, seine Beine herabzulassen, sodass sie zu der nach unten liegenden Seitenwand des Lkw gelangten. Der Sicherheitsgurt schnitt ihm immer noch schmerzhafter ins Fleisch und schob sein Hemd hoch, sodass er seine nackte Haut und die von dem Gurt verursachten roten Scheuerspuren sah. Er öffnete die Gurtschnalle, und sein rechtes Bein schlug gegen die Tür. Das andere Bein traf auf etwas Weiches.
In den Ohren dröhnte ihm ein Ton, im Kopf ein schneidender Schmerz, und er fühlte sich matt und verwirrt. Konzentrier dich, du Idiot, ermahnte er sich. Konzentrier dich!
Okay, er musste aus dem Auto herauskommen, so viel war klar. Aber was sollte er mitnehmen? Zumindest die Waffe, oder mehrere Waffen. Sie hatten Waffen dabei. Aber wo waren sie? Er konnte sich nicht genau erinnern, und das Denken fiel ihm schwer.
Lauri langte mit der Hand hinter sich. Er bekam ein Gewehr mit Zielfernrohr in die Hand und zerrte es hervor. Er wühlte in den Sachen, die sich hinten im Wagen zu einem wirren Haufen aufgetürmt hatten, und fand auch die Styx-Maschinenpistole sowie den Rucksack, in dem sich einige Reservemagazine befanden. Falls er sich recht erinnerte.
Wir müssen hier verschwinden, dachte Lauri konfus. Er beugte sich zu Abu Hassan hinab. Der atmete nicht mehr, er war tot wie ein Stein. Das tut mir leid, dachte Lauri, aber dies war der einzige Weg, der uns wenigstens noch eine kleine Überlebenschance bot.
Lauri nahm seinen Rucksack und überlegte, wie er hinauskommen könnte. Durch die zuoberst befindliche Tür vielleicht, aber dann würden die Männer ihn sehen und auf ihn schießen. Vielleicht war die Windschutzscheibe die bessere Alternative. Er trat gegen die Scheibe, und die Hälfte davon fiel heraus.
Lauri ließ den Rucksack und die beiden Waffen hinausfallen und kroch dann hinterher. Er plumpste auf die Füße und fiel zu Boden. Auf Knie und Hände gestützt versuchte er aufzustehen. Aber es schwindelte ihn, vor seinen Augen drehte sich alles, der alte Schenkelbruch brachte sich in Erinnerung, und er hatte keine Kraft in den Beinen. Das wird nichts, dachte er müde, ich schaffe das nicht.
Kleine Steine kamen klimpernd den Hang heruntergekullert. Als Lauri hinaufblickte, sah er einen hellhäutigen Mann, der den Hang so schnell herunterkam, wie er es nur wagte, mit einer Schirmmütze auf dem Kopf und einer Pistole in der rechten Hand, halb mit dem Sand zusammen herunterrollend.
Der Mann war etwas über hundert Meter entfernt. Er hatte Lauri gesehen, zu dem er eine freie Schusslinie hatte. Lauri sah die Styx, die nur einen Meter von seiner Hand entfernt auf dem Sand lag. Er wusste, dass er die Hand ausstrecken und die Styx hätte ergreifen müssen, aber seine Glieder gehorchten ihm nicht. Er konnte nicht einmal die Hand heben.
Der Mann richtete seine Waffe auf ihn. Na ja, das war es dann, dachte Lauri, jetzt bin ich Geschichte. Dieses Mal sterbe ich wirklich!
4
Katharine Henshaw und Razia wanderten die Talsohle der Qattara-Senke entlang. Der Boden war teils von gelbem Sand, teils von weißem Salz und schwarzem Schlamm bedeckt.
Katharine überlegte, was sie Razia erzählen sollte und was nicht. Am einfachsten war es natürlich, alles Wesentliche nicht zu erzählen. Das wäre wahrscheinlich auch das Vernünftigste. Aber im Verlauf ihres Ausflugs hatte sie andererseits auch erkannt, dass es für sie eine große Versuchung war, sich Razia anzuvertrauen. Es war sehr lange her, dass sie jemandem etwas Wesentliches von dem erzählt hatte, was in der letzten Zeit mit ihr passiert war. Lauri hätte sie vielleicht etwas erzählen können, aber sie hatte beschlossen, es nicht zu tun, zumindest vorläufig nicht.
Katharine Henshaw hatte sich in den vergangenen zwei Jahren wiederholt gefragt, wer sie eigentlich war. Ich muss das klären, denn ich kenne mich selbst nicht, hatte sie gedacht. Ich kenne mich seit Langem nicht mehr. Sie erinnerte sich dunkel an die alte Katharine, die viel jüngere Katharine, die es vor einer Ewigkeit
Weitere Kostenlose Bücher