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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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wissen, schon gar nicht, wenn ich im Staatsdienst bin Die haben Katzen gegessen, diese Leute, die haben ihre Kinder zum Betteln geschickt, dagegen muss man vorgehen, und das ist auch passiert… Proteste – Seitdem ist alles anders, es hört nicht auf, jetzt sind sogar Sie da, aus dem Westen, mein Sohn hängt wieder drin, und sein bester Freund wird umgebracht, und seine Verlobte kommt um.«
    »Haben Sie Kontakt mit Ihrem Sohn?«, fragte Süden, der sich wieder hingesetzt hatte, in der Gewissheit, er sollte nach draußen gehen und den Jungen stellen, und das Mädchen. Er sollte nicht hier sein.
    »Wir wohnen zusammen!«, rief Gottow, hustete und zündete sich eine Zigarette an. »Ich bin meistens hier, ich hab eine Freundin, die kocht, heut ist nichts los, deswegen ist sie schon zu Hause, sie hat eine Wohnung dort drüben, in dem Haus mit den grünen Balkonen, ich bin oft dort. Juri. Weil er in dem brennenden Haus gewesen ist, hat seine Mutter angefangen Tabletten zu nehmen. Er schiebt das auf die schwere Zeit damals, die Umstellung, die neuen Lebensgewohnheiten, er meint, die Demokratie ist schuld am Tod seiner Mutter. Ich hab ein Arschloch großgezogen.«
    Er wollte trinken, aber etwas hielt ihn davon ab.
    »Und als sie nicht mehr aus dem Haus ging, ist er weggeblieben, hat gesagt, er hält den Geruch nicht aus, die Dunkelheit. Erna hat dauernd die Vorhänge vorgezogen, sie hat gedacht, es schaut ihr jemand beim Depressivsein zu. Ich hab oft freigemacht, Überstunden abgebaut, hab eingekauft, mit ihr geredet. Sie hat getrunken, heimlich, sie hat mich gebeten, was mitzubringen, Wodka, oder Whisky, den gabs ja jetzt auch fürs Volk. Sie hat gern Whisky getrunken, ich hab noch nie einen Menschen gesehen, der sich so gefreut hat, wenn er stockbesoffen war. Die Erna hat die Flasche abgeküsst. Ich habs gesehen, von oben bis unten. Ich hab zu ihr gesagt, sie soll lieber mich so abküssen, da hat sie gesagt, ich schmeck nicht so gut. Hat sie die Wahrheit gesagt. Sie hat genau gewusst, wies ihr geht… Keine Betreuung, hat sie gesagt, sie wollt für sich sein, sie hat gesagt, zu DDR-Zeiten ist sie vom Staat schon genug betreut worden. Juri wollt sie ins Heim geben, er hat sich aufgespielt, das Arschloch. Und dann… hab ich nicht aufgepasst, hab die Tabletten rumliegen lassen. Sie hat sie genommen, damit sie überhaupt mal schlafen kann, hab nicht aufgepasst. Hab ich gedacht. Sie hat alle genommen, daran ist sie krepiert. Am Morgen ist sie auf dem Boden gelegen, neben der Couch, erstickt, hat der Arzt gesagt, an ihrem Erbrochenen. Ich hab nichts gemerkt. Und Juri war nicht zu Hause. Nach der Beerdigung, beim Essen, hat er gesagt, er hat ihr bei seinem letzten Besuch Tabletten mitgebracht, sie hätt ihn darum gebeten, bei ihm hat sie gewusst, er würds machen, bei mir hätt sie sich nicht getraut nach einer Extraration zu fragen. Juri hats gemacht. Dem war das egal. Jetzt hat er die Wohnung für sich allein…. Er ist Kfz-Meister, er hats geschafft in seinem Alter.«
    »Er hat den Vietnamesen aus dem Fenster geworfen«, sagte Süden.
    »Ich habs nicht direkt gesehen«, sagte Gottow. »Aber ich würds schwören. Aber ich schwör nicht gegen meinen Sohn, ich schwör vor niemand. Und ich hab mir geschworen, dass ich für meinen Sohn nichts mehr tu, und wenn er am Verhungern ist und mich um ein Stück Brot anbettelt, nichts, nichts. Ich red mit ihm, wenn er kommt, ich schmeiß ihn nicht raus, ich nehm ihn zur Kenntnis, soll er sein Scheißleben fuhren. Er hat gedacht, er wird Chef in dem Laden, wird er nicht, sein Chef hat sich für einen anderen entschieden, das versteh ich.«
    Er goss den Rest Wodka in sein Glas und das von Süden und schraubte die Flasche ordentlich zu.
    »Ich schätz, jetzt sind sie weg«, sagte Gottow. »Zum Wohl!«
    Süden sagte nichts. Er trank. Er betrachtete Gottows Gesicht, seine rissige Nase, die zuckenden Lider.
    »Sie sind freiwillig hier sitzen geblieben, oder?«, sagte der Hausmeister, seine Lippen glänzten von Speichel und Schweiß. Süden schwieg.
    »Die müssen hier raus«, sagte Gottow. »Die haben noch eine Zukunft, die muss jetzt losgehen. Ich bleib hier und verwalte die Vergangenheit. Und Sie? Zurück in die goldene Gegenwart?« Er lachte. Vielleicht lachte auch nur sein Husten.
    Im Holzhaus hing ein Geruch nach Moder und Parfüm, auf dem Tisch standen eine leere Cola und eine Limoflasche, daneben lagen eine Keks und eine Streichholzschachtel. Im Schlafraum entdeckte Süden auf einem der

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