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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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beiden zerwühlten Betten ein schwarzes Handy, dessen Akku leer war. Die Schränke waren ausgeräumt.
    »Was hab ich gesagt?« Gottow stand draußen zwischen zwei Birken im Dunkeln.
    »Haben sie ein Auto?«, fragte Süden.
    »Rico wird eins besorgt haben. Er ist nicht blöde. Er kriegt das mit dem Kind auch hin, das schafft der schon.«
    »Was für ein Kind?«, fragte Süden.
    »Ich hätts nicht sagen dürfen. Er hats mir gesteckt, das Mädchen ist schwanger. Das bleibt unter uns, Kollege, klar?«
    Sie starrte das Telefon an, schon den ganzen Abend. Und wenn sie nicht hinschaute, horchte sie hin, ob es womöglich leise klingelte. Ihr Mann saß unten in der Lobby und trank alkoholfreies Bier. Sie hatte keinen Hunger und keinen Durst. Sie weigerte sich, das Zimmer zu verlassen. Sie wartete darauf, dass Tabor Süden anrief. Er hatte es versprochen. Einmal wählte sie die Handynummer ihrer Tochter, und als sie die Ansage auf der Mailbox hörte, flüsterte sie zweimal: »Jule?«, und legte auf. Als ihr Mann ins Zimmer zurückkam, schrie er, sie würde sich wie ein altes Weib benehmen, das zu nichts anderem fähig sei, als zu klagen und zu jammern. Und sie antwortete, sie sei ein junges Weib, das zu nichts anderem fähig sei. Da gab er ihr eine Ohrfeige, und sie schlug so schnell zurück, dass er staunte.
    »Warum hätte sie dir das erzählen sollen?«
    »Vielleicht hat sie gedacht, ich sag es ihren Eltern.«
    »Nein«, sagte Sonja Feyerabend. »Sie hats dir nicht erzählt, weil sie es niemandem erzählt hat.«
    »Außer Rico.« Nackt setzte sich Tabor Süden auf den Boden, lehnte sich an die Wand und stellte das Telefon neben seine ausgestreckten Beine.
    »Wir wissen nicht, ob sie von ihm schwanger ist«, sagte Sonja.
    »Davon bin ich überzeugt.«
    Kurz vor ein Uhr nachts hatte er sie angerufen.
    »Wir sind raus.« Sonja atmete schwerfällig.
    »Ja«, sagte Süden.
    »Du musst den Eltern sagen, dass ihre Tochter nach Berlin gefahren ist.«
    »Ich schreibe es in meinen Bericht, dann kann Thon sie informieren.«
    »Sprichst du nicht mehr mit ihnen?«
    »Nein.«
    Süden hörte, wie sie ein Kissen aufklopfte. »Wann fährst du los?«
    »Morgen früh.«
    »Soll ich dich abholen?«
    »Ja.«
    Einen kurzen Moment schwiegen sie wieder.
    »Rico muss für sich selber sorgen«, sagte Sonja.
    »Ja.«
    »Schlaf jetzt!«
    »Ich glaube nicht.«
    »Wie du willst.«
    Sie hatte eine Hand auf seinen Oberschenkel gelegt, und wenn er das Bein bewegte, drückte sie fester. Er saß, nach vorn gebeugt, hinter dem Lenkrad. Manchmal sahen sie sich an. Auf der Autobahn war wenig Verkehr. Der Regen ließ nach. Das Radio hatte Julika ausgeschaltet, sie wollte keine fremden Stimmen hören.
    »Ich hab mir was überlegt«, sagte Rico.
    »Was denn?«
    »Sag ich dir, wenn wir da sind.«
    Sie drückte auf seinen Oberschenkel, und er strich ihr über die Hand. Dann hielt er das Lenkrad wieder mit beiden Händen fest.
    »Was Schönes?«, fragte Julika.

32
    E ine Frau, die er nicht kannte, öffnete ihm die Tür.
    »Marlen hat mir von Ihnen erzählt«, sagte sie nach einem Blick auf seinen Ausweis und in sein Gesicht.
    »Ich bin Hanna Sahl, ihre Freundin.«
    Süden blieb vor der Tür stehen. Hanna hatte einen weißen Waschbeutel in der Hand.
    »Was ist passiert?«
    »Marlen ist heut Morgen überfallen worden. Kommen Sie rein!« Sie schloss die Tür hinter ihm. Im Flur stand eine Reisetasche, auf der zwei Pullover lagen. »Sie ist in ein Auto gestiegen, niemand weiß, warum. Sie ist schwer verletzt, jemand hat auf sie eingestochen und sie geschlagen und…«
    »Gibt es Zeugen?«, fragte Süden.
    »Der Mann, der sie am Waldrand gefunden hat, ein Spaziergänger, sie hat ihm einen Namen genannt… Juri…«
    »Ich muss mit ihr sprechen«, sagte Süden.
    »Sie ist nicht bei Bewusstsein, es steht… es geht ihr nicht gut…« Hanna Sahl wich seinem Blick aus.
    »Hat sie noch mit der Polizei sprechen können?«
    Hanna schüttelte den Kopf. »Die Polizei hat mich gebeten, Sachen für sie zu holen… Sie liegt im Koma, der Kerl muss sie so zugerichtet haben, so…« Sie fuhr herum und packte Süden am Arm. »Halberstett hat mir verraten, dass Juri seinen Freund rächen will. Der ist doch krank! Bisher hab ich gedacht, er ist nur so hart geworden, weil er damals zu Unrecht verdächtigt worden ist und die Polizei und die Presse ihn fertig machen wollten…«
    Zwei Stunden später steckte Süden mit dem roten Laguna, den er sich bei einer Autofirma geliehen hatte, in

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