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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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fährt mit dem Auto hinter ihr her, wenn sie ausgeht. Der kontrolliert sie auf Schritt und Tritt, der ist übergeschnappt, wie einer von der Stasi. Die Jule macht das fertig, die hält das nicht mehr aus, kein Wunder, dass sie weg ist. Hoffentlich bleibt sie lang weg.«
    »Warum wehrt sie sich nicht gegen ihren Vater?«
    »Hab ich sie auch schon hundertmal gefragt. Sie kann nicht, sie traut sich nicht, sie weiß nicht, wie sie sich verhalten soll. Die frisst alles in sich rein, sie sagt nie was, sie vergräbt sich in Büchern und Musik. Ich versteh das auch nicht, wieso sie sich das gefallen lässt, sie ist siebzehn, sie ist kein Kind mehr!«
    »Sie ist achtzehn«, sagte Süden.
    »Echt?«, sagte Katrin und zertrat die Kippe. »Wollten Sie eigentlich auch eine?« Sie hielt ihm die Schachtel hin. Er sagte: »Ich rauche nicht.«
    »Gesund.«
    »Was ist daran gesund?«
    Sie sahen beide zu dem gelben Haus. Im ersten Stock brannte Licht.
    »Sie ist an ihrem achtzehnten Geburtstag verschwunden«, sagte Süden. »Sie haben keine Vorstellung, wo sie sein könnte?«
    Sie sah ihn an, klopfte mit dem Feuerzeug auf die Zigarettenpackung. »Ich würds Ihnen nicht sagen.«
    »Sie ist achtzehn, sie kann entscheiden, wo sie bleiben möchte.«
    »Da gibts bestimmt einen Trick. Das lässt sich der Typ nicht bieten. Bin ich froh, dass meine Eltern so normal sind.«
    »Wissen Sie, was die Familie über Weihnachten an der Ostsee getan hat?«
    »Nicht genau. Ich hab Jule im Dezember nicht oft gesehen. Ich glaub, es ging um Geld, ihr Vater hat im Osten investiert, und da ist was schief gelaufen, Jule hat mal eine Andeutung gemacht.«
    »Warum ist sie mitgefahren?«
    »Wahrscheinlich hat sie sich wieder mal nicht wehren können.«
    »Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen?«
    »Letzte Woche«, sagte Katrin Belz. »Sie hat an zwei Abenden Kasse gemacht, Montag und Dienstag. Sie hat nichts erwähnt von einer Reise.«
    »Und wenn, würden Sie es mir nicht verraten«, sagte Süden.
    »Genau.«
    »Hat Julika einen Freund?«
    Sie wich seinem Blick aus und kehrte in ihr Kassenkabuff zurück. Das Telefon klingelte. Sie notierte eine Nummer.
    »Wer ist der Freund?«, fragte Süden.
    »Was für ein Freund?«, fragte Katrin Belz. Süden riss ein Blatt von seinem kleinen karierten Block und schrieb die Telefonnummer seines Büros drauf.
    »Wenn sie sich meldet, rufen Sie mich bitte an«, sagte er. »Ich verspreche Ihnen, ich sage den Eltern nichts davon, wenn Julika es nicht möchte.«
    Sie faltete den Zettel und legte ihn zwischen die ersten Seiten des Taschenbuchs, in dem sie las, während der Film lief.
    Südens Magen knurrte.
    »Einen Schokoriegel?«, fragte Katrin Belz.
    »Lieber nicht. Kennen Sie das Lokal ›Enchilada‹?«
    »Wollen Sie im Ernst da essen?«
    In das mexikanische Restaurant strömten um diese Zeit, kurz nach halb sieben Uhr abends, die Gäste, die meisten waren um die dreißig und hatten bunte Getränke in der Hand. Sie unterhielten sich in einem Orkan von Stimmen. Süden wartete an der Tür. Im Vergleich zu den Leuten an den Holztischen kam er sich wie ein Penner vor, langhaarig, unrasiert, die Lederjacke abgeschabt, die an den Seiten geschnürte Lederhose speckig, die Halbschuhe ungeputzt. Zumindest trug er ein sauberes weißes Leinenhemd, aber davon war nur der Kragen zu sehen.
    »Wir sind leider total voll«, sagte ein junger Kellner, dessen Krawatte zwischen zwei Hemdknöpfen verschwand.
    »Das macht nichts«, sagte Süden. »Kennen Sie Julika de Vries?«
    »Wen?«
    »Sie kommt öfter her.«
    »Ich frag mal Evelin. Evelin! Evelin!«
    Sie kam mit einem leeren Holztablett aus dem hinteren Teil des Lokals, dessen beherrschende Farbe Rotbraun war. Evelin sah aus wie vierzehn, vielleicht, vermutete Süden, war sie zweiundzwanzig, ihre Stimme klang in seinen Ohren wie die einer Achtjährigen. Wie alle Bedienungen hier trug sie ein rotes, sehr enges T-Shirt.
    »Kennst du die… Wie heißt die Frau?«, fragte der Kellner mit der amputierten Krawatte.
    »Julika de Vries«, sagte Süden, halb benommen vom Krach.
    »Die Jule? Ja«, sagte die Bedienung mit schmächtiger Stimme. Süden zeigte ihr seinen blauen Dienstausweis.
    »War Julika am vergangenen Samstag hier? Mit einer Freundin, oder mit noch jemandem?«
    »Ja, die waren hier, die haben bei mir gegessen, die Jule kommt oft. Ist was passiert mit ihr?«
    »Sie ist verschwunden.«
    »O Gott!«
    »Tschuldigung.« Ein groß gewachsener Mann um die dreißig drängte sich an Süden

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