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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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unsere Tochter genauso schnell wiederhaben wie ich. Haben Sie Kinder?«
    »Zwei«, sagte Thon.
    »Dann verstehen Sie, was ich meine.«
    Thon war aufgestanden und ging mit dem schnurlosen Telefon um Tabor Süden herum, der auf einem Stuhl am Fenstertisch saß.
    »Wann wird das Interview ausgestrahlt?«
    »Morgen. Die Reporterin musste dringend weg, wegen der zwei Kinder in Neuperlach, ist das auch Ihr Fall?«
    »Selbstverständlich«, sagte Thon.
    »Also haben Sie sowieso keine Zeit, sich um meine Tochter zu kümmern.«
    »Sie unterschätzen die Wirkung einer solchen Sendung«, sagte Thon. »Die Reporter sind am Spektakel interessiert, nicht an der Wahrheit.«
    »Wenn das Spektakel nützt, meine Tochter zu finden, soll es mir recht sein. Entschuldigen Sie mich, ich hab zu tun.«
    »Überlegen Sie es sich noch einmal!«, sagte Thon.
    »Ich habe es mir überlegt«, sagte de Vries.
    Thon legte den Hörer auf. »Er sorgt sich nicht«, sagte er, »er will sie nur wiederhaben. Was bedeutet das?«
    »Er sorgt sich«, sagte Süden, stand auf und strich die Haare nach hinten. »Er hat nur eine extreme Art sich auszudrücken.«
    »Sie ist wegen ihm weggelaufen«, sagte Thon. »Und sie wird wegen ihm nicht zurückkommen. Wir machen eine vorläufige Vermisstenanzeige…« Er sah auf die Uhr.
    »Formulier kurz die Sache mit ihrem Vater und schick eine Mitteilung speziell an die Kollegen in Norddeutschland, in Niedersachsen, an der Ostsee, möglicherweise hat sie in den Weihnachtsferien doch jemanden kennen gelernt.«
    »Ich habe mit der Schwester von Margit de Vries in Warnemünde telefoniert«, sagte Süden. »Julika ist nicht bei ihr. Sie weiß nichts von einer Ferienbekanntschaft.«
    »War das ein rein familiärer Besuch?«, fragte Thon. Wieder sah er auf die Uhr und zupfte an seinem blauen Halstuch.
    »Darüber habe ich nichts erfahren. Ich glaube nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Sie haben etwas verschwiegen.«
    »Du wirst es rausfinden«, sagte Thon. »Wir sind dabei eine Sonderkommission zusammenzustellen, die beiden Kinder in Neuperlach sind unauffindbar, die Hinweise, dass sie einem unbekannten Erwachsenen begegnet sind, mehren sich, konkret wissen wir noch nichts. Das Mädchen und der Junge sind wie vom Erdboden verschluckt. Sei froh, dass du nicht involviert bist.«
    »Könnten sie von einem Erpresser entführt worden sein?«, fragte Süden.
    »Die Eltern sind geschieden, sie haben kein Geld«, sagte Thon auf dem Weg durchs Vorzimmer. Die Konferenz fand im vierten Stock bei Kriminaloberrat Funkel statt.
    »Kannst du nicht mit der Reporterin sprechen, ihr kennt euch. Sag ihr, wie du den Vater und die familiäre Situation einschätzt. Dumm ist sie ja nicht, nur widerlich penetrant.« Er öffnete die Glastür zum Treppenhaus.
    Süden kehrte in sein Büro zurück. In den angrenzenden Räumen war niemand, alle Kommissare der Vermisstenstelle nahmen an der Besprechung teil, nur Erika Haberl, Thons Sekretärin, saß an ihrem Schreibtisch und nahm einen Anruf nach dem anderen entgegen.
    Im Computer füllte Süden die üblichen Vorlagen aus, schickte sie an zwanzig verschiedene Dienststellen und sandte ein Rundfax an Kollegen von der Bahnpolizei, an Rettungsleitstellen, Taxizentralen, Verkehrsbetriebe, Flughäfen und, der Ordnung halber, an die Wasserschutzpolizei.
    »Kommen Sie noch mal rein?«, fragte Erika Haberl, als er an ihrem Zimmer vorbeiging.
    »Möglich«, sagte er.
    »Das ist schlimm mit den zwei Kindern, nicht? Wieso sind Sie nicht in der Soko? Das ist ja noch nie vorgekommen.«
    »Jemand muss den Rest erledigen«, sagte er.
    »Sie müssen auch nicht immer die schlimmen Sachen machen, Herr Süden.«
    Vor dem Kino standen Leute. Süden wartete, bis der Film begonnen hatte. Die junge Frau an der Kasse reagierte nicht überrascht, als Süden ihr mitteilte, Julika de Vries sei verschwunden.
    »Mich wundert, dass sie erst jetzt weg ist«, sagte Katrin Belz und ordnete die abgerissenen Billetts, die sie vor sich liegen hatte.
    »Kennen Sie ihren Vater? Wenn Sie so einen Vater haben, können Sie nur abhauen.«
    »Was macht er?«, fragte Süden.
    »Was er macht?« Sie öffnete die schmale Tür und kam in den Vorraum, eine Packung Zigaretten und ein Feuerzeug in der Hand. Ein junger Mann und seine Freundin hasteten herein.
    »Ist noch Werbung?«
    »Ja.«
    Dann rauchte sie vor der Tür und blies den Rauch gelegentlich in Richtung des gelben Hauses auf der anderen Straßenseite.
    »Der Typ ist ein Spitzel«, sagte Katrin. »Der

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