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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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vorbei, an der Hand eine blonde Frau mit einer Ray-Ban-Geschwulst auf dem Kopf. An einem der Tische an der Fensterfront klopfte der Mann einem Freund, der genauso aussah wie er, überschwänglich auf die Schulter, und die Frau verabreichte einer Frau, die genauso aussah wie sie, pro Wange ein spitzes Bussi. Dann setzten sich die vier und schrien in normaler Lautstärke wie die übrigen Gäste aufeinander ein und lachten, und Süden sah, dass sie ebenmäßige Zähne hatten.
    »Ist sie entführt worden?«, fragte die junge Bedienung im engen T-Shirt.
    »Haben Sie am Samstag mit ihr gesprochen?«
    »Nur kurz. Die wollten dann noch weiter, die Jule und die Miriam.«
    »Wo wollten sie hin?« Miriam hatte es Süden gesagt, er wollte ihre Aussage nur überprüfen.
    »Weiß ich nicht. Seit wann ist sie denn verschwunden? Das ist ja furchtbar.«
    »Seit der Nacht zum Sonntag, bald nachdem sie bei Ihnen gegessen hat, hat sie ihr Elternhaus verlassen.
    Niemand weiß, wo sie sich im Moment aufhält.«
    »O Gott!«
    »Und wo ist die jetzt?«, fragte der Kellner. Vielleicht war nicht nur seine Krawatte eingeklemmt.
    Süden schrieb wieder die Telefonnummer seines Büros auf und gab den Zettel der Bedienung.
    Auf dem Weg in die Goethestraße fing es an zu regnen, und als er die Kneipe unweit des Hauptbahnhofs erreichte, konnte er seine Haare auswringen. Anders als im »Enchilada« schlugen ihm im »gap« keine Stimmen entgegen, stattdessen Rauchschwaden, die nicht nur vom Tabak kamen – es hätte möglich sein können, dass an diesem Abend das Jahrestreffen der Kampfraucher stattfand -, sondern auch aus der offenen Küche. Süden stellte sich an den ersten Stehtisch neben der Säule. Mit beiden Händen wischte er sich übers Gesicht, schüttelte den Kopf wie ein Hund und zog die nasse Jacke aus. Er hängte sie über den Barhocker und steckte das Hemd in die Hose, das ihm vorne rausgerutscht war.
    »Ein Helles und etwas zu essen«, sagte er zur Bedienung.
    »Steht alles auf der Tafel«, sagte sie.
    Die Tafel stand im hinteren Teil, oberhalb der Bierbänke. Süden entschied sich für Penne all’arrabbiata.
    »Einen kleinen Salat dazu?«, fragte die Bedienung und stellte das Bierglas auf die Metallplatte in der Mitte des runden Tisches.
    »Nein«, sagte Süden. »Haben Sie am Samstagabend hier gearbeitet?«
    »Ja.«
    Er zeigte ihr seinen Ausweis und erklärte, weshalb er hier war, und beschrieb die beiden Mädchen.
    »Ja, ich glaub schon«, sagte die Bedienung, »die sind da oben gesessen.«
    In der hinteren Ecke gab es ein kleines Podest mit einem Tisch und zwei Stühlen. »Das können die gewesen sein. Später kam noch ein Junge dazu, glaub ich. Ja, ein Junge, ungefähr so alt wie die Mädchen.«
    »Was für ein Junge?«
    »Der war auch schon ein paar Mal hier, glaub ich. Ja, zusammen mit dem Mädchen mit den Zöpfen.« Das war Miriam.
    »Und die drei sind zusammen weggegangen?«
    »Ich glaub schon. Ja. Die Schwarzhaarige hat bezahlt, glaub ich. Ja, dann sind sie gegangen, ich glaub schon.«
    »Alle drei zusammen?«
    »Ja. Glaub schon. Also keinen Salat?«
    »Was wollen Sie von mir? Ich hab schon geschlafen, mir gehts nämlich nicht gut, ich hab Bauchschmerzen, ich muss am Montag einen Vortrag in Geo halten, ich lieg schon seit einer Stunde im Bett…« Sie sagte noch mehr, was Tabor Süden sofort vergaß, dann verschränkte er die Arme und verbreitete die Aura eines Mannes, der aus einem ziemlich bösen Regen kam, und das Böse hatte auf ihn abgefärbt.
    »Was wollen Sie von mir?«, sagte sie wieder. »Sie klingeln mich Samstagnacht aus dem Bett…«
    »Mit wem waren Sie in der Kneipe? Wie heißt der Junge? Wo wohnt er? Ich kann Sie ins Dezernat mitnehmen, wenn Ihnen das angenehmer ist.« Das war ein Bluff, aus Ärger über den kalten Regen entstanden und im Sprechschwung nicht mehr aufzuhalten.
    »Ich ruf gleich meine Eltern im Restaurant an!«, sagte Miriam.
    »Wer ist der Junge? Wo wohnt er?«, wiederholte Süden und spürte die Tropfen im Nacken.
    »Das ist Adrian«, sagte Miriam, hockte sich mit angewinkelten Beinen auf den Drehstuhl vor dem Schreibtisch und schlang die Arme um die Knie. Als er ihr in ihr Zimmer gefolgt war, hatte sie sich hastig einen knöchellangen braunen Faltenrock übergestreift.
    »Adrian«, sagte Süden. »Sie und Adrian haben Julikas Abreise organisiert, im ›gap‹…«
    »Mir ist kalt.«
    »Sie haben mit ihr den Plan ausgeheckt. Ist sie mit dem Zug gefahren?«
    Miriam starrte zu Boden.
    »Sie ist

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