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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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also mit dem Zug gefahren. Vorher habt ihr euch in der Kneipe getroffen und in der Nacht habt ihr sie zum Bahnhof begleitet.«
    Sie schwieg. Er ging zu ihr und blieb vor ihr stehen, so nah, dass ihr gesenkter Kopf fast seine Lederjacke berührte. Da er keinen Mucks machte, musste sie den Kopf heben und ihm ins Gesicht sehen.
    »Wo ist Julika hingefahren, Miriam?«
    »Das sag ich Ihnen niemals. Und wenn Sie mich mitnehmen und einsperren. Und Adrian sagt es Ihnen auch nicht.«
    »Ich nehme Sie nicht mit«, sagte Süden und bewegte sich nicht von der Stelle. »Ich sperre Sie nicht ein, aus welchem Grund denn? Erklären Sie mir lieber, was Julikas Vaters dazu bringt, die Presse einzuschalten und seine Tochter über das Fernsehen suchen zu lassen.«
    »Das passt zu ihm«, sagte Miriam. Sie stand auf und setzte sich aufs Bett, unruhig, ratlos. Dann nahm sie das Kopfkissen und presste es vor ihren Bauch.
    »Legen Sie sich doch hin«, sagte Süden. Sie reagierte nicht.
    »Der denkt, Jule ist sein Eigentum, der behandelt sie wie eine Sklavin. Sie wissen überhaupt nicht, was der der Jule schon alles angetan hat.«
    »Was hat er ihr angetan?«
    »Das ist jetzt nicht mehr wichtig.«
    »Hat er sie misshandelt?«
    »Wie nennen Sie das, wenn Ihnen einer alles verbietet, was Sie gern möchten, wenn einer Sie ausspioniert? Der hat sogar ihre Tagebücher gelesen! In welchem Jahrhundert leben wir denn? Der denkt, die Jule ist seine Leibeigene! Jetzt ist sie weg. Endlich ist sie weg.«
    »Warum hat sie sich nicht gegen ihren Vater gewehrt?«
    »Sie hat immer gesagt, wenn sie achtzehn wird, haut sie sowieso ab, sie hatte keine Lust, sich mit dem Kerl zu streiten, sie hat ihn einfach abfahren lassen. Sie hat ihn ignoriert.«
    Süden wartete, bis sie ihn ansah. »Sie hat ihn nicht ignoriert«, sagte er. »Sie hat ihn nicht abfahren lassen. Sie hat gelitten. Sie ist unter ihm immer kleiner geworden.«
    »Ja«, sagte Miriam leise. Und nach einer Pause: »Jetzt ist sie weg von ihm und sie wird nie wiederkommen.«
    »Wo ist sie?«
    Sie sah ihm in die Augen. An der Tür sagte er: »Viel Glück für den Geovortrag.«

6
    D er Mann, der das Mikrofon an Südens Hemdkragen befestigte, sagte viermal »Entschuldigung«, Süden erwiderte kein Wort. Eine Vorbesprechung hatte er abgelehnt. Er weigerte sich, mit Wolf de Vries vor der Kamera einen Dialog zu führen, worum Nicole Sorek beide Männer gebeten hatte. De Vries wäre einverstanden gewesen, er drängte sogar darauf.
    »Fragen Sie mich nach dem Stand der Ermittlungen, danach gehe ich sofort.«
    »Das wirft ein ganz schlechtes Licht auf die Polizei«, sagte de Vries, während die Reporterin dem Kameramann Anweisungen gab. Süden wollte sich vor dem Haus ohne de Vries interviewen lassen, doch Nicole Sorek bestand darauf, in Julikas Zimmer zu drehen. So zwängten sich fünf Personen in den Raum, und Margit de Vries sah von der Tür aus zu. Obwohl sie dagegen war, würde sie später ebenfalls vor der Kamera sitzen und etwas sagen müssen, ihr Mann hatte sie dazu aufgefordert, und sie schaffte es nicht, Nein zu sagen.
    »Ich spreche erst mit Herrn de Vries«, sagte Nicole Sorek, »dann schwenkt Frank zu Ihnen, Herr Süden, dann machen wir direkt weiter. Wir können jederzeit abbrechen und neu ansetzen, wenn Sie sich verhapseln – haha, verhaspeln, mein ich -, okay?«
    »Ja«, sagte de Vries.
    Die Reporterin stellte die erste Frage, und Süden hörte sofort nicht zu. Julikas Vater saß am Schreibtisch seiner Tochter, Süden auf einem niedrigen Holzstuhl bei der Tür. Als Frank die Kamera zu ihm drehte, stand er auf, und sein Kopf rutschte aus dem Bild.
    »Stopp!«, rief Nicole Sorek. »Bitte, bleiben Sie sitzen, Herr Süden, das haben wir doch so besprochen.«
    Er war nicht aus Trotz aufgestanden. Er war hier. Er hatte sich überreden lassen, die Polizei hatte die Pflicht Stellung zu beziehen. Jemand musste es tun. Er war der Sachbearbeiter. Thon hatte auf Südens Auftritt bestanden. Und Süden bezog im Stehen Stellung.
    »Das sieht nicht gut aus«, sagte Nicole. Das glaubte er.
    »Können Sie nicht etwas entspannter dastehen, Herr Süden?«
    Er schwieg.
    Frank schob die Kamera auf seiner Schulter hin und her, sein Kollege mit den Kopfhörern, ein Mann um die sechzig, kniete auf dem Boden und verkniff sich ein Grinsen.
    »Wir versuchen es noch mal«, sagte Nicole Sorek.
    »Namen und Berufsbezeichnung blenden wir ein, Herr Süden, ich stell Sie nicht vor, wir fangen gleich an, Sie kennen das

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