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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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war Zeuge!« Mit einem Ruck stand Thon auf, ging zum Fenster, schob die Faxblätter übereinander und riss die Tür zum Vorzimmer auf. »Bitte kopieren Sie die, Erika, dreimal, eine Kopie bekommt Herr Süden.«
    Erika Haberl nahm ihm die Blätter aus der Hand.
    »Wir warten noch zwei Tage«, sagte er, an Süden gewandt, »und wenn sie nicht wieder auftaucht, fliegst du übers Wochenende hin und informierst dich aus erster Hand. Ich will wissen, was da passiert ist. Wenn der Vater davon erfährt, läuft er wieder zur Presse. Ich möchte nicht, dass diese gewöhnliche Vermissung mit einer Katastrophe endet, also finde dieses Mädchen, sprich mit ihr und bring sie zur Vernunft!«
    »Ich kann sofort fahren«, sagte Süden.
    »Wir warten noch«, sagte Thon. »Du fliegst frühestens am Freitag.«
    »Ich fliege nicht.«
    »Richtig«, sagte Thon. »Flugangst, das vergesse ich immer.«
    Julika tauchte nicht auf. Und Süden kaufte eine Zugkarte für Samstag, den sechzehnten Februar, sieben Uhr siebenundvierzig, Umsteigen in Hamburg und Lübeck, Hin und Rückfahrt.
    »Und wann kommst du zurück?«, fragte Sonja Feyerabend. Süden gab keine Antwort. Der Wirt in dem Lokal in der Nähe der Corneliusbrücke spielte auf der Ziehharmonika »La Paloma« und sang dazu. Sie saßen an einem Tisch in der Mitte. Auf den Bänken in den Nischen, die durch Holzwände voneinander getrennt waren, quetschten sich junge Leute aneinander, die diese alte, von jeglichem Szeneschick unberührte Kneipe seit einiger Zeit für sich entdeckt hatten, vor allem Jura und Betriebswirtschaftsstudenten, die, wie Süden vermutete, das Urige suchten, weswegen sie den älteren Gästen überschwänglich Mut machend zuprosteten, ohne zu verstehen, dass diese von derartigem Frohsinn ein Lichtjahr weit entfernt waren und es auch bleiben wollten.
    »Komm mit zu mir«, sagte Sonja.
    Süden schob das Pilsglas an den Rand des Tisches.
    »Noch eins?«, fragte die humanitärste Wirtin der Stadt.
    »Unbedingt«, sagte Süden. Und zu Sonja: »Und dann gehen wir.« Er senkte den Kopf. Die Haare fielen ihm übers unrasierte Gesicht. Ein paar Studenten prosteten ihm Mut machend zu. Er schwieg sich bereits in eine Reise hinein, an deren Ziel ihn niemand erwartete.
    Nachdem er ausgetrunken hatte, sagte Sonja: »Komm.« Und dankbar stand er auf.

8
    W aren sie also zu dritt, wie früher, mit dem Unterschied, dass sie nun zwei Kinder und ein Erwachsener waren. Beim Essen beobachtete Marlen Keel ihren Sohn und das Mädchen, das, wie ihr Sohn erklärt hatte, kein Kind mehr war, sondern volljährig. So wie sie isst, ist sie noch immer ein Kind, dachte Marlen.
    Julika schlang ihr Essen in sich hinein wie Ronny, ihr Exmann, der die Welt um sich herum bei Tisch vergaß und seine Familie dazu und hinterher seine Frau und seinen Sohn ansah, als wundere er sich, wo die beiden plötzlich herkamen. Das Mädchen tupfte sich zwischendurch sogar den Mund mit einer Papierserviette ab, sie schnitt ordentlich die Fleischstücke und achtete darauf, dass keine Sauce von der Gabel tropfte. Sie kaute lange, bevor sie schluckte. Gelegentlich warf sie einen Blick in die Runde und auf die anderen Teller, als überprüfe sie, ob sie zu hastig aß. Sie aß zu hastig, vom ersten Bissen an, genau wie Rico, auch wenn Marlen zugeben musste, dass keiner von ihnen auch nur annähernd Ronnys Geschwindigkeit erreichte. Das Mädchen hatte Manieren, wahrscheinlich war sie einfach nur hungrig. Rico war immer hungrig gewesen, schon als kleiner Junge, was bei Marlen lange Zeit Schuldgefühle ausgelöst hatte, sie redete sich ein, ihn schlecht zu ernähren. Wenn sie Gulasch kochte und dazu einen Gurkensalat machte, was mangels Gurken in den Geschäften selten vorkam, saß sie jedes Mal satt vor Staunen ihrem Jungen gegenüber, der vor Freude über diese Mahlzeit beinahe strahlte. Und immer tunkte er mit einem Brotstück den letzten Rest Sauce auf, und es fehlte nicht viel und er hätte den Teller abgeschleckt. Das Austunken hatte er bis heute beibehalten, und Marlen ertappte sich dabei zu glauben, es habe ihm nicht geschmeckt, wenn er es nicht tat.
    Natürlich war Rico bereits mit dem Essen fertig. Er nahm ein Stück Weißbrot aus dem Korb und fuhr damit kreisförmig über den Teller.
    »Das hat gut geschmeckt.« Julika wischte sich wieder mit der Serviette über den Mund.
    »Danke«, sagte Marlen.
    Rico betrachtete seinen nahezu sauberen Teller.
    »Hast du noch Hunger?«, fragte Marlen. Rico schüttelte den Kopf.
    »Ich

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