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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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führten lange Gespräche mit den beiden Eltern, die sich zum ersten Mal nach ihrer Trennung wieder in einem Raum aufhielten und einander zuhörten. Ein Arzt hatte die Kinder untersucht und außer einer leichten Unterkühlung, Prellungen und einem Meer von Kratzern keine ernsthaften Verletzungen festgestellt.
    »Ein Zufall, so wie der Container und der Regen«, sagte Süden. Er meinte einen anderen Container, einen in der Levelingstraße, nur wenige hundert Meter von der Baumkirchnerstraße entfernt. Und den Regen, der damals auf den Hinterhof des kleinen Bordells geprasselt war, wo der Container jemandem Zuflucht geboten hatte. Anders als die Kinder jedoch hatte der Mann, der in jener Nacht den Deckel öffnete und hineinkletterte, keine sanfte Hand in der seinen gehabt. Sondern eine Pistole, Heckler & Koch, neun Millimeter, und er hatte nichts als Abscheu vor sich selbst empfunden. Er hatte den Deckel geschlossen und geschossen, und niemand war rechtzeitig zur Stelle gewesen.
    Sie hielten sich an den Händen, und der Kellner zögerte näher zu kommen. Sie waren beide nicht zur Stelle gewesen, erst später, als es immer noch regnete und der Leichnam des Mannes tiefer gesunken war, tiefer in einen noch schäbigeren Tod.
    »Möge es nützen«, sagte Süden. Doch er trank nicht. Irgendwann, in der Mitte einer anderen Zeit, hatte Martin Heuer begonnen, mit diesem Trinkspruch sein Glas zu erheben.
    »Möge es nützen«, sagte Sonja. Und der Kellner ging zum Tresen zurück.
    Der Container, der Regen, die Gegend, ein Neunjähriger, der eine Siebenjährige durch die Nächte führte, ein Dreiundvierzigjähriger, dessen Nacht nicht mehr geendet hatte. Möge es nützen.
    Manchmal hauste Tabor Süden in Erinnerungen wie in der Verbannung.

7
    T hon schloss die Tür und drückte Süden ein dreiseitiges Fax in die Hand. Süden las die Mitteilung, legte die Blätter nebeneinander auf den Tisch am Fenster und wandte sich zu seinem Vorgesetzten um, der hinter dem Schreibtisch Platz nahm, die Füße auf die Tischkante legte und sich einen Zigarillo anzündete. Elegante blaue Seidensocken in braunen Slippers kamen zum Vorschein. Farblich stimmten die Socken und das Halstuch überein.
    »Möchtest du bei Gelegenheit etwas zu der Sache sagen?«, fragte Thon.
    Süden zog einen Stuhl vom Tisch und setzte sich, nach vorn gebeugt, die Arme auf den Oberschenkeln, die Handgelenke zwischen den Knien über Kreuz, als trage er Handschellen. Er dachte an die Namen, die er soeben gelesen hatte, an die Beziehungen der Personen zueinander, wie sie der Kollege in dem Fax geschildert hatte, an Julikas merkwürdiges Verschwinden und an die ihm unbekannte Frau, die unter tragischen Umständen gestorben war.
    »Sie ist verbrannt«, sagte er. »Annalena Prinz, dreiundzwanzig Jahre, und sie war die Freundin von… Thorwald Gottow, der…«
    »Juri genannt wird«, sagte Thon und nahm einen Fuß vom Tisch. »Wie ich die Kollegen verstehe, ist es nicht sicher, warum die Frau verbrannt ist, sie war auf dem Schiff, auf dem sich die Explosion ereignet hat. Aber warum sie nicht rechtzeitig von Bord kam, geht aus dem Schreiben nicht hervor.«
    »Julika war bei der Feier dabei«, sagte Süden, »mit einem Mann namens Rico Keel.«
    »Hast du den Namen bei deinen Befragungen gehört?«
    »Nein.«
    Thon rauchte.
    »Woher wissen die Kollegen, dass Julika nach dem Unglück verschwunden ist?«, fragte Süden.
    »Kannst du nicht lesen? Julika hat bei dem Jungen gewohnt, und jetzt wohnt sie nicht mehr dort.«
    »Aber wieso bedeutet das, dass Julika verschwunden ist? Vielleicht ist sie auf dem Weg nach Hause.«
    Thon nahm auch den anderen Fuß vom Tisch, stippte den Zigarillo in den Aschenbecher und kratzte sich mit dem Zeigefinger am Hals. »Das lese ich nicht aus dem Fax, der Kollege schreibt, sie haben mit der Mutter des jungen Mannes gesprochen, und die hat ausgesagt, Julika sei einige Tage nach dem Feuer plötzlich nicht mehr da gewesen, und die Mutter habe den Verdacht, ihr Sohn wisse, wo sie sich aufhält, will es aber nicht sagen. Und die Kollegen teilen den Verdacht.«
    »Sie ist seit Sonntag weg«, sagte Süden. »Die Kollegen haben bis heute gebraucht, um uns zu informieren.«
    »Wahrscheinlich hatten sie mit der Brandfahndung so viel zu tun, und heute hat einer in einem Stapel Fernschreiben unseres entdeckt. So ähnlich steht es ja auch in dem Fax.«
    »Sie haben Julikas Freund vernommen, aber aus welchem Grund, schreibt der Kollege nicht«, sagte Süden.
    »Er

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