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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Terminkalender und sonntags nie Zeit. Ich muss jetzt aufhören, danke, dass du mir zugehört hast, Hanna.«
    »Tu, was ich dir gesagt hab! Und nichts anderes!«
    »Ja«, sagte Marlen.
    Nachdem sie das Handy weggelegt hatte, setzte sie sich auf den Stuhl wie vorher, senkte den Kopf und tat minutenlang nichts. Sogar das Atmen hätte sie am liebsten sein lassen.
    Was sie dann tat, blieb ihr noch lange ein Rätsel. Sie hatte eine vage Ahnung, warum sie es tat, aber sie wollte nicht darüber nachdenken. An diesem Abend war es zu spät für Selbstbespiegelungen, sie war müde und musste um sechs Uhr raus, weil in der Bibliothek zwei neue Regale geliefert wurden, endlich, nachdem sie viermal gemahnt hatte. Das bedeutete, sie würde den halben Vormittag damit verbringen, Bücher neu zu sortieren, die Einbände abzuputzen, die Ecken zu säubern, wo sie seit Wochen alte Bände stapelte, und andere Arbeiten erledigen. Im Augenblick war nichts wichtiger, als ins Bett zu kommen. Falls sie es schaffte, das Metallgestell um die letzte Treppenbiegung zu bugsieren. Das Teil war nicht schwer, nur unhandlich, und es gab keinen vernünftigen Grund, wieso sie es vom Keller bis in die Wohnung allein trug und sich nicht von ihrem Sohn helfen ließ.
    Sie war aus der Küche gegangen und hatte einen Blick ins Wohnzimmer geworfen, wo Rico und Julika Schulter an Schulter auf der Couch saßen und sich vermutlich an den Händen hielten, was sie von der Tür aus nicht sehen konnte. Wortlos hatte sie sich umgedreht und auf den Weg gemacht, wie selbstverständlich, als habe sie eine bewusste Entscheidung getroffen.
    Sie hatte den Verdacht, sie tat es aus Pflichtbewusstsein, weil man, ganz gleich, ob man die Situation guthieß oder nicht, nachts um halb zehn kein Mädchen, das zu Besuch war, auf die Straße schickte. Zuerst musste man eine Lösung für den Moment finden, dann sah man weiter. Nichts in die Zukunft hineindramatisieren, auch wenn zwischen jetzt und der Zukunft nur eine Nacht lag. So hatte früher das Zusammenleben funktioniert, und alles andere war alles andere gewesen.
    »Was machst du da?«, fragte Rico. Er stand in der Tür seines Zimmers, Julika hinter ihm.
    »Ich stell ein zweites Bett auf«, sagte Marlen. Das Gestell roch nach Keller. Sie holte ein Duftspray, das sie manchmal in der Toilette benutzte, und sprühte das Klappbett vom Kopf bis zum Fußende ein. Anschließend legte sie eine Wolldecke darüber und holte aus ihrem Schlafzimmer ein Plumeau, ein Leintuch und ein Kopfkissen. »Man schläft gut darauf, auch wenn es nicht so aussieht.«
    »Danke«, sagte Julika leise.
    »Wieso hast du mir nichts gesagt…«
    »Morgen, Rico«, unterbrach sie ihn. »Besuch mich morgen in der Mittagspause.« Sie hatte den Eindruck, Julika würde schwanken. »Willst du ein Aspirin?«
    »Nein.« Julikas Stimme war kaum zu verstehen. Als Marlen vom Flur aus die Tür schließen wollte, sagte Julika: »Ich hab Geld für ein Hotel, ich bin selbstständig, ich fahr jetzt in die Stadt.«
    »Du bleibst hier«, sagte Marlen und machte die Tür zu.
    »Willst du wirklich fahren?«, fragte Rico.
    Julika strich ihm durch die zerwühlten Haare und lehnte ihre Stirn an die seine. Von draußen hörten sie Gläserklirren und Geschirrklappern.
    »Wahrscheinlich hab ich alles falsch gemacht«, sagte Julika. Rico hatte sie nicht verstanden, doch er traute sich nicht nachzufragen.
    »Schick mich weg«, sagte sie, und er verstand sie wieder nicht, obwohl ihr Mund nah vor seinem Gesicht war. Er sah, wie sich ihre Lippen bewegten. Er hatte nicht aufgepasst, ihre Nähe und ihr Geruch hinderten ihn daran, sich selbst wahrzunehmen. Die Berührung an der Stirn kam ihm schon vertraut vor, und er fürchtete sich vor dem Ende. Und weil dieser Gedanke noch mehr Furcht in ihm auslöste, verlagerte er sein Gewicht nach vorn und drückte mit dem Kopf fester gegen ihre Stirn. Leise sagte sie: »Ich krieg ein Kind von dir.«
    Durch seinen Körper ging eine Erschütterung wie ein Riss durch ein Haus, wenn die Erde bebt. Vielleicht riss tatsächlich etwas in ihm. Er wich zurück und wunderte sich, wieso Julika plötzlich so weit weg war und seine Stirn ohne Halt. Er sah zu ihr hin. Sie stand an derselben Stelle wie vorher, am Fußende des Klappbetts. Und er stand ebenfalls dort. Er spürte doch die Berührung! Etwas stimmte nicht.
    Dann begriff er, was nicht stimmte. Julika hatte ihren weißen Pullover ein Stück nach oben geschoben und entblößte ihren Bauch. Rico starrte hin. Der

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