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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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behutsam, das ist das Wichtigste, hat er gesagt, eine behutsame Hand. Mein Vater hat ihn gejagt, er hat zu ihm gesagt, wenn er mich nicht in Ruhe lässt, zeigt er ihn an wegen Verführung Minderjähriger, und dann wär es aus mit seiner Karriere als Jockey. Mein Vater hat mich verhört. Er hat mich eingesperrt. Er hat geglaubt, er kriegt mich klein, und meine Mutter hat das auch versucht. In ihren kranken Köpfen haben sie sich die schrecklichsten Dinge ausgemalt, zum Beispiel, dass wir zusammen schlafen. Nach einem Dreivierteljahr musste Linus nach Italien, und dann nach Frankreich. Und ich hab nicht gewusst, dass ein Herz so weinen kann.«
    Ein fliehender Blick streifte Süden, der sie unentwegt ansah, bis sie ein Regal entdeckte, auf dem ein Pokal mit einer eingravierten Schrift stand. Dort kam Julikas Blick zur Ruhe. »Er hat mein Tagebuch gelesen. Das werde ich ihm niemals verzeihen. Meine Mutter war den ganzen Vormittag beim Zahnarzt gewesen, sie hätt ihn sowieso nicht dran gehindert, sie hätt ihm zugeschaut. Er liest in meinem Tagebuch und wirft meinen Glücksbringer in den Müll. Linus hat mir von der Rennbahn einen Stoffelch geschenkt, der ein weißes T-Shirt anhat. Mein Vater wirft den Elch in den Müll, und ich lass den Mann am Leben.
    Aber jemand, der so etwas tut, der muss doch sterben.« Nachdem sie getrunken hatte, wirkte sie lebhaft, auch wenn ihre Worte das Gegenteil ausdrückten. »Ich war ein einziges Verstummen, und niemand hat es bemerkt. So können Sie leben, Sie verstummen, und die Leute um Sie herum denken, Sie reden mit ihnen, aber das tun Sie nicht. Sie sind still, steinstill sind Sie. Aber die Leute reden so laut, sie hören eine Stimme und denken, es ist deine. Jetzt sehen Sie mich an, Sie haben grüne Augen, egal die Farbe der Augen, die Farbe der Haare egal, wenn du nicht existierst, ist egal, wie du aussiehst, ob du schön bist oder ein hässlicher Olm, fett wie eine Tonne oder dünn wie ein Halm, egal. Und deine Stimme ist so leise, weil sie aus Flüstern gemacht ist. Und wer hat das gemacht? Du selber! Du hast das gemacht, stimmt das nicht?«
    Sie wischte sich über den Mund und blinzelte, als habe sie etwas im Auge. Sie rieb sich das linke Auge, dann das rechte, und das Blau ihrer Pupillen glänzte nicht.
    »Ich hätt auch ein Schatten sein können, der Designerklamotten trägt. Die hat mir mein Vater geschenkt, und ich zog die Sachen tatsächlich an, verstehen Sie das? Nein. Er wusste, dass ich nicht Nein sagen kann. Das war seine Leine, an der ich durchs Gehege gehoppelt bin, hopp hopp. Ich war die Hoppeljule, hat Ihnen das niemand gesagt? Hopp hopp. Da ist sie wieder, schaut! Sie hoppelt und ist fügsam. Wieso bin ich so fügsam gewesen? Ich hätt doch auch anders sein können. So wie die Isa in meiner Klasse, die hat ihre Mutter geohrfeigt, wenn ihr was nicht gepasst hat, oder Philipp, der ist eines Tages zu seinem Vater ins Büro gegangen und hat ihm ein Messer in den Hals gestoßen. Dann heißt es, Gewalt von Jugendlichen, heikles Thema. Ich war ein heikles Thema ohne Talkshow. Sie sind nur dann ein Thema, wenn Sie die Finsternis auch rauslassen, dann hat das einen Sinn gehabt, dass Sie die ganze Zeit wie eine Nacht herumgelaufen sind, und jeder hat gedacht, Sie sind ein Sonnenschein.«
    Sie nahm das Glas in die linke Hand und hielt die rechte waagrecht daneben, als wolle sie das Glas draufstellen. Das tat sie nicht. Sie legte die Hand mit dem Rücken auf den Tisch, als erwarte sie ein Almosen oder eine Schneeflocke.
    »Sie wollten sich ein Bild machen. Ich bin noch nicht richtig. Sie müssten mich in ein paar Wochen noch einmal anschauen, dann würden Sie sehen, wer ich wirklich bin. Das wird nicht klappen, in ein paar Wochen bin ich fort, und Sie sind wieder in Ihrem Büro und suchen andere Leute. Ich hätt mich wehren müssen, nicht? Das Leben war doch da. Feigsein kann man nicht erklären. Ich wünschte, ich wär früher weg, obwohl: Wenn ich früher weg wär, hätt ich Rico nicht getroffen, und dass ich Rico getroffen hab, ist ein Wunder. War also noch ein Rest übrig. Sehen Sie? So sieht jemand aus, der ein Restpostenwunder gefunden hat und es behalten will.«
    Das Glas war leer. Sie legte auch die linke Hand mit dem Rücken auf den Tisch.
    »Ich hab Ihnen was gesagt, was ich Ihnen niemals hätt sagen dürfen. Aber ich hab keine Angst mehr, das ist der Trick, wenn man keine Angst mehr hat, dann geht die Feigheit von alleine weg. Und wenn die Feigheit weg ist, ist man

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