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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Bibliothek anrufen… Wie ist deine Nummer?«
    Marlen Keel sagte ihm die Nummer.
    »Oder auf meinem Handy, es eilt.« Er stand auf und schaute auf die Bibliothekarin hinunter. »Das ist jetzt eine blöde Situation, es tut mir Leid, Marlen, Henry muss entscheiden, was wir weiter tun, der Kollege aus dem Westen scheint noch nicht begriffen zu haben, wie das bei uns läuft. Ich muss noch mal wiederkommen, oder besser wär, du kommst mit mir, das wäre das Einfachste.«
    »Ich hab Henry schon alles gesagt und dir auch. Ich hab keine Ahnung, wo Rico steckt.«
    »Ich hoffe, das stimmt«, sagte Kellerfink. »Besser wärs, du würdest mitkommen, das wär das Beste für uns alle.« Er setzte seine Mütze auf und ging mit entschlossenen Schritten an Süden vorbei.
    »Grüße an Varus«, sagte Süden. Fast hätte Kellerfink innegehalten.
    Marlen Keel schlug die Hände vors Gesicht. Als sie sie wieder herunternahm, hob sie den Kopf und blickte mit dunkler Miene in die Runde.
    »Danke, dass ihr mir beigestanden habt«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wo Rico ist, ich weiß nicht, was passiert ist, und solange ich nichts Genaues weiß, wird niemand mich dazu bringen, eine Aussage zu machen. Ich will nicht, dass es wieder so weit kommt wie…«
    Paula legte ihr die Hand auf die Schulter. Marlen zuckte zusammen, und Paula zog schuldbewusst die Hand zurück. »Kann ich heute frei bekommen, Herr Schild? Ich möchte zu Hause bleiben und auf Rico warten, bestimmt meldet er sich, das tut er immer.«
    »Selbstverständlich«, sagte der Mann im braunen Sakko.
    »Gehen Sie. Wenn Sie Hilfe brauchen, rufen Sie an, bitte.«
    Zwischen den Bücherregalen hindurch ging er zu einer weiß lackierten Eisentreppe, die in den Keller führte.
    »Sie sind sehr freundlich«, sagte Marlen. Erst jetzt schien sie Tabor Süden zu bemerken. Wortlos sah sie zu ihm hin. Sie glaubte etwas sagen zu müssen. Das Telefon klingelte. Sofort griff sie nach dem Hörer und warf Süden einen Blick zu, als wolle sie damit ausdrücken, sie wisse selbst nicht, wieso sie es so eilig hatte abzuheben.
    »Hansa-Stadtbibliothek, Marlen Keel.«
    Süden wusste sofort, wer dran war. Marlen gab ihm den Hörer.
    »Ja.«
    »Hier ist Henry Halberstett, Kollege, kommen Sie bitte sofort in die Inspektion, ich warte auf Sie, Wiedersehen.« Süden legte auf.
    »War Ihr Sohn in der Arbeit?«, fragte er.
    »Nein«, sagte Marlen. »Paula, mach doch weiter, die Rückgaben stapeln sich schon.«
    »Und du gehst nach Hause«, sagte Paula. »Rico hat nichts angestellt, das weiß ich.« Ein letzter heftiger Blick streifte Süden.
    »Er ist die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen«, sagte Marlen. Die Erschöpfung kehrte zurück, sie ließ die Schultern hängen und hatte Mühe, den Mantel vom Bügel zu nehmen. Süden wollte ihr helfen, aber sie wehrte ab.
    »Glauben Sie, dass er mit dem Tod von Steffen Nossek etwas zu tun hat?«
    »Sie etwa?«
    »Ich weiß es nicht. Ich kenne ihn nicht. Wieso ist er untergetaucht?«
    »Was reden Sie denn da?«
    Marlen war auf dem Weg zur Tür. Süden folgte ihr unaufgefordert.
    »Er ist untergetaucht«, sagte er.
    »Das ist Ihr Vokabular, nicht meines.« Sie riss die Tür auf und ging in die feuchte Luft hinaus, ins graue Licht.
    »Hoffen wir, dass er untergetaucht ist.«
    Sie blieb stehen. »Wie bitte? Was sagen Sie da für Dinge? Was wollen Sie mir denn einreden? Manchmal habe ich den Eindruck, seit Sie auf der Bildfläche erschienen sind, kommt alles durcheinander.«
    Sie hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, sie musste auf kürzestem Weg die nächste S-Bahn erwischen.
    »Wenn er nicht untergetaucht ist«, sagte Süden, »dann müssen die Kollegen in eine andere Richtung ermitteln.«
    »Was für eine Richtung denn?« Seine Andeutungen versetzten sie allmählich in Hysterie.
    »Steffen Nossek ist einem Verbrechen zum Opfer gefallen, und Rico ist verschwunden, wir können nicht ausschließen, dass auch er einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist.«
    Wieder blieb sie stehen, so ruckartig, dass ihre lederne Umhängetasche weiterschaukelte. »Das ist ja unerhört! Warum sagen Sie so was? Warum jagen Sie mir Angst ein? Was ist das für eine Strategie, die Sie da verfolgen?«
    »Ich sage Ihnen nur, was wir im Moment zu überlegen haben.«
    Sie sah an ihm vorbei, zu den Wiesen am Rand des Botanischen Gartens, zu den Bäumen, deren Äste gestutzt waren und deren Stämme schwarz und leblos wirkten. Nirgendwo auch nur eine Ahnung von Frühling. In allen Geschäften

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