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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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bringen Sie sie dazu, dass sie kommt.«
    »Was will Ihre Tochter später werden?«, fragte Süden.
    Keine Minute würde Julika mit ihren Eltern sprechen wollen, die Idee, sie zu überreden, ins Hotel zu fahren, hielt er für absurd. Und doch würde er ihr, falls es ihm gelang sie zu finden, mitteilen, dass ihre Eltern in der Stadt waren, vielleicht wollte sie wenigstens mit ihrer Mutter telefonieren. Nein, auch ihre Mutter war keine Ansprechpartnerin für sie, sie verachtete ihr Verhalten. Nein, Julika würde nicht zurückkehren. Diese beiden Personen, die ihre Eltern waren, gehörten nicht zu ihrer Zukunft.
    De Vries stand auf. »Wissen Sie, wo hier die Toiletten sind?«
    »Im Keller«, sagte Süden.
    »Wenn ich wiederkomm, sagen Sie mir, wo Jule sich aufhält, und dann fahren wir hin, basta!« Er durchquerte das Café und die Lobby.
    Süden beugte sich vor, die Hände über Kreuz zwischen den Knien. Margit de Vries legte eine Hand auf die Tischplatte, und die Ringe an ihren Fingern machten ein klackendes Geräusch.
    »Jule will Schauspielerin werden«, sagte sie, und es kam Süden vor, als ahmten ihre Lippen ein Lächeln nach.
    »Talent hat sie, sie hat in der Schule in ›Romeo und Julia‹ gespielt, das war recht ergreifend. Sie übertreibt gern, das ist ja nicht schlecht für eine Schauspielerin, sie ist manchmal ein bisschen theatralisch…« Als hätten die Worte sich verbündet und gehorchten nun ihrer Stimme, so mühelos sprach Margit de Vries auf einmal. »Das hat mich natürlich beunruhigt, diese Leidenschaft, sie kennt dann nur noch Gefühle, das ist gefährlich, sie schaltet den Kopf aus, das kann sie gut. Schauspielerin. Mein Mann ist dagegen, er tut sich schwer zu begreifen, dass unsere Tochter eigenständig ist, sie ist ein Individuum wie Sie und ich, das fällt ja manchen Eltern schwer, das zu akzeptieren. Mir auch. Und ich finde das ganz unerhört, was sie getan hat, das wissen Sie, so was darf man nicht tun. Aber jetzt ist es passiert, wir können sie nicht nach Hause prügeln, Gott behüte, sie ist achtzehn Jahre, achtzehn Jahre ist unsere Jule alt, was haben wir da noch groß zu melden? Haben Sie Kinder?«
    »Nein«, sagte Süden.
    »Warum nicht?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Sind Sie verheiratet?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Ich glaube, ich kann es nicht.«
    »Das ist ja lächerlich«, sagte Margit de Vries. »Heiraten kann jeder. Sie werden immer älter, was machen Sie, wenn Sie alt sind? Sie brauchen jemanden. Allein ist alles viel schwieriger. Zum Beispiel wenn es friert, und Sie sind alt, dann brauchen Sie jemanden, der Sie festhält, der aufpasst, dass Sie nicht ausrutschen, Sie können dann nicht mehr so gut laufen wie jetzt, Sie sind unsicher, die Gelenke sind steif. Was machen Sie dann? Das ist das Wichtigste, dass da jemand ist, auf den man sich stützen kann, wenn man rausgeht und die Wege sind voller Eis und Schnee.«
    »Sie haben Recht«, sagte Süden.
    »Ich rede wie eine alte Frau. Das kommt vom Fliegen und…«
    Auf einmal verschwanden die Worte wieder und ließen Tränen zurück, die Margit de Vries verlegen machten.
    »Ich rede mit Ihrer Tochter«, sagte Süden. »Aber ich kann nichts versprechen.«
    »Das weiß ich«, sagte sie.
    Mit einem weißen Stofftaschentuch tupfte sie sich die Augen ab.
    Dann schwiegen sie wieder.
    »Der Mann meiner Schwester ist ein Gangster«, sagte sie, das Taschentuch vor dem Mund. »Er hat uns ruiniert. Anstatt uns offen und ehrlich zu sagen… Wenn die Bank uns… wenn wir keinen Kredit kriegen, ist unser Geschäft weg… und die Pläne für…«
    Schlagartig hörte sie auf zu sprechen. Zum Abschied nickte sie Süden zu.
    »Wo ist er?«, fragte Wolf de Vries, als er von der Toilette zurückkam.
    Nachdem Süden Rosa Mohl in dem Fischgeschäft, wo sie als Fachverkäuferin arbeitete, besucht – »Ihnen sag ich gar nichts!« – und anschließend Nils Tumm, dem Wirt der Kneipe »Eisenhans«, einige Fragen gestellt hatte – »Ein Nazi war der Steffen nicht, das sag ich Ihnen gleich!« -, fuhr er mit dem Taxi zu der Firma am Stadthafen, in der Rico Keel angestellt war.
    »Was klar ist, ist«, erklärte Hajo Spahn, der Personalassistent, »Rico gehört zu den Flexiblen, er hat Tapezierer gelernt, jetzt ist er bei uns auf ABM und macht Isolierungen, er wird kein großer Ingenieur werden, aber er kann bei uns zum Elektriker umschulen, er schaut zu und lernt. Das ist wichtig in diesen Zeiten: neu was lernen, wachsam bleiben, wo geht was, wo werd ich

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