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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Damals, das war eine aufgeheizte Stimmung, da waren die Rumänen, die da campiert haben, die hatten natürlich Hunger und Durst, es war heiß, niemand war für die zuständig, da sind die eben in den Supermarkt und haben sich die Sachen genommen. Die Behörden haben die hängen lassen. Die Stimmung war schlecht damals, die Leute haben einen Hass entwickelt, und wenn der Hass mal in den Köpfen ist… Rico war einer von Tausenden, und er war noch jung…«
    »Er war mit seinen Freunden im Haus, sie standen unter dem Verdacht, den Vietnamesen aus dem Fenster geworfen zu haben.« Süden zog den Reißverschluss seiner Lederjacke zu.
    »Das ist die Sache mit dem Sündenbock, jemand muss geopfert werden. Hinterher hat die Presse, besonders die aus dem Westen, geschrieben, wir wären alle Neonazis und Skinheads und hätten auch noch gejubelt, als die Rumänen weggebracht wurden. Alles gelogen, ich hab nicht gejubelt oder applaudiert. Und der Kerl in der bepissten Trainingshose, dessen Bild in jeder Zeitung war, das war ein stadtbekannter Penner, erinnern Sie sich an das Foto? Ich war später in Italien, da war das Foto auch, überall, und drunter stand, so wie der sind wir alle. Die Politiker haben ihre staatstragenden Reden geschwungen, die sind schlau. Sie nützen vorher die Stimmung aus und hinterher auch, vorher waren ihnen die Skinheads recht und hinterher die Demokraten. Ist doch lächerlich. Und die drei jungen Leute mussten es ausbaden.«
    »Es waren vier«, sagte Süden. »Juris Freundin war auch dabei.«
    »Ja«, sagte Spahn, »das Mädchen, das jetzt auf dem Schiff verbrannt ist. Auch wieder so eine dubiose Sache. Wissen Sie da was Genaues? Und jetzt ist dieser Steffen Soundso ebenfalls tot. Schon eigenartig. Aber was die Sache von damals angeht: Diese drei oder vier Jugendlichen sollten zu Sündenböcken gemacht werden, das war die einfachste Methode, die waren im Haus, die waren in dem Zimmer, aus dem der Vietnamese rausgesprungen ist, die mussten schuld sein. So läuft das dann. Und wir pissen uns alle in die Hose und schreien Heil Hitler. Der Rico, darauf wett ich, der wollte damals einfach nur Spaß haben, die Polizei hat ihre Wasserwerfer ausgefahren und rumgespritzt, tausend Fotografen waren da, es hat sich was gerührt. Ich muss jetzt los. Wenn Sie Rico finden, sagen Sie ihm, er soll mich anrufen, ich find bestimmt einen neuen Job für ihn, wir sind eine große Firma, wir exportieren inzwischen bis in den Fernen Osten.«
    »Danke«, sagte Süden.
    »Wenn ich durch bin mit der Welt, mach ich mal im Bayern Urlaub, das steht fest«, sagte Spahn und klopfte Süden auf die Schulter.

28
    E r hatte keine Lust, seinem Alten dabei zuzusehen, wie der die Biere in sich reinschüttete und ihn anglotzte.
    »Ich hau ab!«, sagte Juri. Er trug eine schwarze Jacke aus Nappaleder, die er seit der Beerdigung seiner Mutter nicht mehr angehabt hatte.
    »Wieso bist du überhaupt gekommen?«, raunte Wilhelm Gottow, für den dieser Tag schon mit dem Aufwachen neben Mandy vorbei gewesen war. Wie so oft hatte er gewünscht, sie wäre über Nacht verschwunden. Alles, was er jemals für sie empfunden haben mochte, hatte sich in Luft aufgelöst oder in Bier. Und wenn er mit ihr schlief und sie mit ihren Fingern rummachte, schlug er manchmal zu, und dann heulte sie, und er empfand so etwas wie Mitleid mit ihr. Dann wachte er mit einem Geschmack im Mund auf, wie nach Friedhofserde.
    »Lüg mich bloß nicht an!«, sagte Juri. Den halben Vormittag hatte er auf der Polizei verbracht, wieder die alten Fragen und das Gelaber, das er auswendig kannte. Das Beste war, dass sie ihm allen Ernstes unterstellten, er habe etwas mit dem Mord an seinem besten Freund zu tun. Da war er kurzfristig laut geworden. Danach fuhr er zu Steffens Eltern und saß eine Stunde in ihrem Wohnzimmer und hörte sich das Geheule an. Er sagte ihnen, er würde Steffens Mörder persönlich bei der Polizei abliefern. Sie sagten, sie wüssten, wen die Polizei in Verdacht habe, ob auch er glaube, dass Rico der Mörder sei. Er meinte, es gebe keinen anderen. Und jetzt hockte er hier, in diesem Loch, in dem es noch mehr stank als zu Hause, wo sein Alter zum Glück nur noch selten übernachtete.
    »Sprich nicht so mit mir!«, sagte Gottow. Durch das winzige Fenster sah er nichts als eine graue Sauce. Wenn es in ihm drin ein Wetter gäbe, wäre es genau dasselbe wie draußen.
    »Wo soll der hin?«, sagte Juri und stieß den Stuhl weg, der vor ihm stand. Er brauchte Platz für

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