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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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ihre Jacke hing am Haken gegenüber der Eingangstür. Wenn Rico zurückkam, konnten sie sofort aufbrechen. Ab und zu horchte sie auf Schritte, denn sie erwartete jemanden.
    In ihr Tagebuch schrieb sie: An ihn gedacht habe ich schon lange nicht mehr, obwohl Miriam immer noch ein Foto von ihm in ihrem Geldbeutel trägt, ich sehe sein Gesicht, und dann vergesse ich ihn wieder. Drei Jahre ist es her, seit er von der Brücke gesprungen ist. Er war nicht der Erste und nicht der Letzte, der sich dort hinuntergestürzt hat. Miriam, Adrian und ich waren oben an der Stelle, jetzt ist dort ein hohes Eisengitter, damals konnte man leicht über das niedrige Holzgeländer klettern. Viele Blumen lagen dort, auch unten. Rote und gelbe Rosen, violette und weiße Tulpen. An einem Kreuz hing ein Foto von ihm, darauf hat er gelächelt. Nach der Beerdigung habe ich mich oft gefragt, ob das Stück ihn zu sehr beeinflusst hat, ob er vielleicht nicht mehr herausfand aus der Rolle des verliebten Selbstmörders. Er war sehr gut auf der Bühne, besser als ich, auch wenn die Leute mich gelobt haben. Auf ihr Lob gebe ich nichts, Fabritius war der bessere Schauspieler, das wusste er auch. Seine Eltern wären entsetzt gewesen, wenn sie erfahren hätten, dass er Schauspieler werden und nicht Biochemie studieren wollte, um ein berühmter Wissenschaftler zu werden wie sein Vater, Professor Dr. Fabritius Riemenschneider. Diesen Namen hätten seine Eltern gern auf seiner Visitenkarte mit Goldrand gelesen. Jetzt lesen sie Fabritius Riemenschneider auf einem Grabstein. Ich hatte kein Mitleid mit ihnen, sie dachten, wenn man einen Sohn in die Welt setzt, darf man ihn ein Leben lang steuern wie ein Auto. Das Auto ist aber von der Brücke gefallen, das passiert manchmal. Alle sagten, sie hätten keine Erklärung für die Tat. Meine Erklärung ist: Wenn Fabritius kein eigenes Leben haben durfte, dann wollte er wenigstens einen eigenen Tod haben. Selbstmord ist kein Zeugnis von Feigheit. Mein Romeo starb nicht wegen der Liebe zu einem Mädchen, das vor der Zeit von ihm gegangen ist, er starb, weil er keine eigene Zeit in der Welt hatte, nur hingeworfene Zeit. Wie man einem Hund einen Knochen hinwirft, abgenagte Stunden, und er lief in einem Zwinger auf und ab und rüttelte am Maschendraht. Eines Nachts brach er das Schloss auf und entkam. Er war gleich tot. Das stand in der Zeitung. Ich glaube es, der Tod war ja auf seiner Seite, der erwartete ihn schon voller Gnade.
    Sie hielt inne, blies ihr Handgelenk an, blinzelte zum Fenster und schrieb weiter.
    Er hat mich ermutigt, er sagte, in mir sei eine theatralische Urnatur, ich könne Tiere so gut spielen wie Menschen, auch einen Baum oder den Wind. Vielleicht wollte er mir schmeicheln, er war immer sehr höflich zu mir und zu anderen Mädchen. Er wollte nichts von Mädchen. Ich muss Rico von ihm erzählen, später, wenn wir in Sicherheit sind. Sie werden ihm die Notwehr nicht glauben, sie werden ihn einsperren, und das ertrage ich nicht. Wir können nur in Freiheit gedeihen, Rico und ich. Aber vorsichtig müssen wir sein, wir dürfen uns nicht zu Tode hegen und pflegen, wir müssen unsere Flügel noch bewegen können, jeder für sich, er um zu fliegen, ich um ihn zu locken. In seiner Obhut… Jemand klopfte an die Tür.
    Julika rührte sich nicht, erschrocken wie ein Vogel, der sich in ein Zimmer verirrt hatte.
    »Ssst«, machte jemand an der Tür. »Ich bins.« Julika bewegte nicht einmal den Kopf.
    »Ich bins, Gottow. Mach auf, bevor mich jemand sieht!« Er klopfte wieder. Mit einem Ruck sprang Julika auf und öffnete die Tür. Gottow drückte seinen massigen Körper herein.
    »Ziemlich heiß«, sagte er. »Stimmt was nicht mit der Heizung?«
    »Doch«, sagte Julika.
    Gottow ging zum Tisch, warf einen Blick auf das aufgeschlagene Tagebuch und griff in die Tasche seines Anoraks. Er holte eine Pistole hervor und legte eine kleine rote Schachtel auf den Tisch.
    »Das ist eine russische PSM, Kaliber 5.45, ganz einfach alles. Da ist das Magazin, hier entsicherst du, fertig ist das Geschütz. Hier sind zehn Patronen extra, mehr hab ich nicht. Ich sicher die Waffe jetzt und nehm das Magazin raus, siehst du das?«
    Sie sah hin, umwabert von Alkoholschwaden.
    »Das ist kein Spielzeug. Nur für Notfälle, verstanden? Nicht rumballern damit, nur für den äußersten Notfall, verstanden?«
    »Ja«, sagte Julika.
    »Ich will nicht wissen, was du damit vorhast«, sagte Gottow. Seine Stirn war schweißbedeckt.
    »Zur

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