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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Verteidigung, für Rico und mich.«
    »Zur Verteidigung. Du hast sie ordentlich bezahlt, steck sie ein! Wenn dich jemand fragt, wo du sie herhast, sagst du, du hast sie am Bahnhof von einem Typen mit einer Pelzmütze gekauft.«
    »Wieso Pelzmütze?«, fragte Julika.
    »Frag nicht so dumm! Was sollst du sagen?« Er drückte seine Hand auf ihre Schulter.
    »Die Pistole ist von einem Typen mit Pelzmütze am Bahnhof«, sagte Julika.
    »So ist es. Wann kommt Rico zurück?«
    »Weiß nicht.«
    »Ihr müsst hier weg.«
    »Heute Nacht«, sagte Julika.
    Gottow wollte noch etwas sagen. Er dachte nach und stützte sich auf Julikas Schulter.
    »Das tut weh«, sagte Julika. Er begriff nicht, was sie meinte.
    »Ah!«, stieß er hervor. »Hast du Licht brennen lassen?«
    »Was für Licht?«
    »Jemand hat hier Licht gesehen.«
    »Nein«, sagte Julika.
    »Dann ist gut.« Er ließ los. Julika spürte ein Stechen, das sich quer über ihre Schulter ausdehnte. Grußlos riss Gottow die Tür auf, machte zwei Schritte und schlug die Tür zu. Sofort sperrte Julika wieder ab. Sie hörte das Schleifen seiner Schuhe über die Steinplatten.
    Sie nahm die Pistole in die Hand, die leicht und sauber war und interessant roch.
    Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie, nachdem Rico sie gebeten hatte, den Hausmeister nach einer Pistole zu fragen, sofort Ja gesagt hatte, ohne wissen zu wollen, wozu er sie brauchte. Dieser Gedanke erfreute sie: Sie handelte schon ganz unbewusst für ihn.
    Stunde um Stunde verwandelte Rico sie mehr in einen großen Willen, der vollkommen ihm gehörte.
    In ihr Tagebuch schrieb sie: Bald werde ich dein Atem sein, du kannst singen mit mir oder schweigen oder im Schlaf einen Wind fabrizieren.

30
    S ie stützte die Ellbogen auf den Tisch und senkte den Kopf. Wie bei Tabor Südens erstem Besuch empfand Marlen Keel seine Nähe als Herausforderung. Was immer sie tat, veranlasste sie zu überlegen, wie er darauf reagieren würde. Als hätte sie ihn freiwillig in die Wohnung gelassen! Wie beim ersten Mal war er dagestanden, die Hände hinter dem Rücken, nah bei der Tür, die sie hinter ihm geschlossen hatte, anstatt sie offen zu lassen und ihn aufzufordern zu gehen – auf eine aufdringliche Weise unaufdringlich. Und da war dieser Geruch nach Regen und Rasierwasser, den sie wie zwanghaft einatmen musste. Wie eine Göre gaffte sie Süden an, und ihr Blick schweifte umher, als wäre er ferngesteuert. »Das war ja klar«, hatte sie gesagt und war ins Wohnzimmer gegangen, wo sie die ganze Zeit gesessen hatte, die Flasche Marillenschnaps und ein Glas vor sich, in der Stille einer Wohnung, die ihr mit jedem Heben des Kopfes mehr wie eine Ruine vorkam als ein bewohnbarer Ort. Und Süden hatte unaufgefordert wie jemand, der hier regelmäßig verkehrte, seine nasse Lederjacke auf einen Bügel an der Garderobe gehängt und war ihr gefolgt. Und sie hatte ihn aufgefordert sich zu setzen. Und wieder war er stehen geblieben.
    »Worauf warten Sie?«, fragte sie.
    »Auf Rico«, sagte er.
    Ihr Glas war halb voll, sie spürte den Alkohol, der nichts bewirkte. Ununterbrochen hatte sie, wie ihr Sohn sagen würde, Gedanken, sie hatte nichts als Gedanken.
    »Da warten Sie vergeblich«, sagte sie. Eigentlich wollte sie nicht sprechen, nur dasitzen, abwarten, ob ihre Gedanken vielleicht einen Ausweg ergaben, und das Licht verblassen sehen, das hinter ihrem Rücken durchs Fenster fiel. Sie dachte: Vermutlich ist die Sonne unter einer Lawine aus Wolken begraben, und die Suchhunde haben sich im Kosmos verlaufen oder keine Lust zu suchen.
    »Wo haben Sie mit ihm gesprochen?«, fragte Süden. Er stand schräg hinter ihr am Fenster, und sie sah sich nicht um.
    »In einer Kirche«, sagte sie erschöpft. Er fragte nicht nach.
    »Sie wollen zu einer Freundin seiner Freundin«, sagte sie. Sie trank das Glas aus. »Sarah.«
    »Sarah«, wiederholte Süden.
    Marlen wischte sich über den Mund. Das Geld, das sie für Rico abgehoben hatte, steckte noch in ihrer Tasche. Was hatte sie falsch gemacht, dass er es nicht genommen hatte?
    »Haben die beiden genug Geld?«, fragte Süden.
    Aus Versehen stieß Marlen das Glas um. Sofort stellte sie es wieder auf und drehte sich halb um. Und da stand er, näher, als sie erwartet hatte, und blickte auf sie herunter. Das Grün seiner Augen kamen ihr in all dem Grau, das sie umgab, wie die einzige Farbe vor.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie leise.
    »Haben Sie ihm Geld gegeben?«, fragte er. Sie wollte nicht antworten. Sie wollte

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