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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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von einer Adoption, ich spreche von der Chance eines Sommerjobs – als Anfang. Jemand könnte dir die Chance bieten, mehr als zwei Tage fortzubleiben – das ist alles, was ich sagen will –, wenn du magst.« Dr. Larch sah Homer an; sie starrten einander an.
    »Richtig«, sagte Homer endlich.
    »Vielleicht möchtest du ja in zwei Tagen zurückkommen!« sagte Larch munter – aber sie wandten den Blick voneinander ab, als wollten sie damit auch diese Möglichkeit ausschließen. »In welchem Falle«, fuhr Larch fort, während er sich die Hände wusch, »du hier immer willkommen bist.« Er verließ den Raum und Homer mit dem Baby – wieder zu schnell, als daß Homer hätte sagen können, wie sehr er ihn liebte. Der kauernde Bahnhofsvorstehergehilfe beobachtete, wie Wilbur Larch Schwester Angela und Schwester Edna in die Apotheke mitnahm.
    Trotz der Anwesenheit des Bahnhofsvorstehers war die ätherisierte Atmosphäre tröstlich für Wilbur Larch und half ihm, seinen treuen Krankenschwestern zu sagen, was er zu sagen hatte.
    »Ich möchte, daß wir unsere Barschaft zusammenwerfen«, sagte Wilbur Larch. »Ich möchte, daß der Junge so viel Geld hat, wie wir zusammenkratzen können, und auch etwas halbwegs Anständiges zum Anziehen.«
    »Nur für zwei Tage, Wilbur?« fragte Schwester Edna.
    »Wieviel Geld braucht der Junge für zwei Tage?« fragte Schwester Angela.
    »Es ist eine Chance für ihn, seht ihr das denn nicht?« fragte Dr. Larch. »Ich glaube nicht, daß er in zwei Tagen wiederkommt. Ich hoffe, daß er nicht wiederkommt – wenigstens nicht so bald«, sagte Wilbur Larch, dessen brechendes Herz ihn an etwas erinnerte, was er vergessen hatte: die Geschichte von Homers »schwachem« Herzen. Wie sollte er es ihm sagen? Wo und wann?
    Er überquerte den Flur, um nach Candy zu sehen. Er wußte, daß sie und Wally möglichst bald aufbrechen wollten; sie hatten eine lange Fahrt vor sich. Und wenn Homer Wells mich verläßt, dachte Wilbur Larch, sollte er mich schleunigst verlassen – auch wenn zwanzig Jahre, wie Dr. Larch wußte, nicht eben das waren, was man als beschleunigten Aufbruch bezeichnen könnte. Homer mußte jetzt schleunigst aufbrechen, weil Dr. Larch sehen mußte, wie er je darüber hinwegkommen wollte.
    Ich glaube nicht, dachte er. Er kontrollierte die Fleckenbildung auf der sterilen Schambinde – während Wally zur Decke starrte, auf seine Hände, auf den Fußboden. »Ihnen geht’s gut«, sagte Dr. Larch zu Candy. Eigentlich wollte er ihr noch sagen, daß Homer sie wegen der zu erwartenden Krämpfe beraten und auch das Spotting kontrollieren könne, aber er wollte Homer mit dieser Verantwortung verschonen. Auch hätte Dr. Larch in diesem Moment den Namen Homers nicht aussprechen können.
    »Sie nehmen dich?« fragte Curly Day Homer, als Curly Homer packen sah.
    »Ich werde nicht adoptiert, Curly«, sagte Homer Wells. »In zwei Tagen komme ich wieder.«
    »Sie nehmen dich!« sagte Curly Day; sein Gesicht wirkte so verletzt, daß Homer sich abwenden mußte.
    Dr. Larch war als Historiker ein Amateur, aber er wußte dennoch um die Macht indirekt empfangener Informationen. Aus diesem Grund erzählte er Candy und Wally von Homers schwachem Herzen. Es war nicht nur leichter für Dr. Larch, als Homer zu belügen; auf lange Sicht, vermutete Larch, würde das Märchen auch überzeugender sein.
    »Ich habe ihn noch niemals fortgehen lassen – nicht einmal für zwei Tage –, ohne ein wenig über seinen Zustand zu sagen«, erzählte Dr. Larch Candy und Wally. Ein herrliches Wort: Zustand. Die Wirkung des Wortes aus Arztes Mund ist wahrhaft erstaunlich. Candy schien zu vergessen, daß sie eben erst eine Abtreibung gehabt hatte; in Wallys Gesicht kehrte die Farbe zurück. »Es geht um sein Herz«, sagte Wilbur Larch. »Ich habe ihm nichts gesagt, weil ich ihn nicht beunruhigen wollte und weil sich sein Zustand verschlimmern könnte, wenn er darum wüßte und sich Sorgen machte«, vertraute Dr. Larch den beiden gutherzigen Unschuldslämmern an, die ihm ergriffen Aufmerksamkeit zollten.
    »Man darf ihn also nichts allzu Anstrengendem aussetzen, keiner allzu intensiven sportlichen Betätigung – und nichts allzu Schockierendem«, sagte Wilbur Larch, der eine perfekte Geschichte erfunden hatte für jemand, der einfach vorsichtig sein sollte – der die Gefahr meiden sollte. Larch hatte seine Lieblingswaise mit einer Geschichte ausgestattet, die ihn, wie er hoffte, verschonen würde. Er war sich bewußt, daß es eine

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