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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Al’s-Hammer-Krankheit«, erklärte er.
    Al sein Hammer! Nun, das war eine Krankheit, die jeder verstehen konnte.
    »Ich hoffe nur, sie ist nicht ansteckend«, sagte die dicke Dot Taft.
    »Vielleicht muß man reich sein, um sie zu kriegen«, fragte sich Meany Hyde.
    »Nein, es ist neurologisch«, beharrte Homer, aber dies sagte – außer Homer – niemandem etwas.
    Und so entwickelten die Männer und Frauen von Ocean View als sie sich dieses Jahr auf die Ernte vorbereiteten, eine neue Redensart. »Paß mal auf«, pflegte Herb Fowler zu sagen, »sonst kriegst du Al’s Hammer.«
    Und wenn Louise Tobey zu spät kam, pflegte Florence Hyde (oder Irene Titcomb oder die dicke Dot Taft) sie zu fragen: »Was ist los, hast du deine Periode gekriegt oder Al’s Hammer?« Und wenn Grace Lynch humpelnd oder mit einem unübersehbaren blauen Fleck auftauchte, dachte ein jeder, sagte es aber niemals laut: »Sie hat gestern abend Al’s ollen Hammer abgekriegt, klar.«
    »Mir scheint«, sagte Wally zu Homer Wells, »du solltest Arzt werden – du hast offenbar das Gespür dafür.«
    »Doktor Larch ist der Arzt«, gab Homer Wells zurück. »Ich bin der Beduine.« 
     
    Kurz vor der Ernte – als sie frische Blumen in die Schlafsaalflügel des Ciderhauses gestellt und ein sauberes Blatt mit Spielregeln (beinah genau denselben Regeln wie letztes Jahr) getippt und sie neben den Lichtschalter an der Küchentür angezweckt hatte – bot Olive Worthington dem Beduinen ein Zuhause an.
    »Ich finde es immer schlimm, wenn Wally ans College zurückkehrt«, sagte Olive zu Homer. »Und dieses Jahr, wo Senior von uns gegangen ist, werde ich es noch schlimmer finden. Ich wäre froh, wenn du hier glücklich sein könntest, Homer – du könntest in Wallys Zimmer wohnen. Ich wäre froh, über Nacht jemand im Hause zu haben und morgens jemand zum Reden.« Olive hatte Homer den Rücken zugewandt, während sie aus dem Erkerfenster in der Worthingtonschen Küche schaute. Die Luftmatratze, auf der Senior einstmals zu liegen pflegte, schaukelte vor ihren Augen im Wasser, doch Homer war sich nicht sicher, ob Olive die Matratze anschaute.
    »Ich bin mir nicht sicher, was Dr. Larch davon halten würde«, sagte Homer.
    »Dr. Larch wäre froh, wenn du eines Tages aufs College gehen würdest«, sagte Olive. »Und ich auch. Ich will mich gern einmal bei der High-School in Cape Kenneth erkundigen, ob sie es mit dir versuchen würden – ob sie abschätzen können, was du weißt und was du noch lernen mußt. Du hattest eine sehr … ungewöhnliche Ausbildung. Ich weiß, Dr. Larch möchte, daß du alle Naturwissenschaften studierst.« Homer merkte, daß sie dies aus einem Brief von Dr. Larch haben mußte. »Und Latein«, sagte Olive Worthington.
    »Latein«, sagte Homer Wells. Dies war mit Sicherheit Dr. Larchs Werk. Cutaneus maximus, dachte Homer Wells. Dura Mater, ganz zu schweigen vom guten alten Umbilicus. »Dr. Larch will, daß ich Arzt werde«, sagte Homer zu Mrs. Worthington. »Aber ich will nicht.«
    »Ich glaube, er will, daß du immer noch Arzt werden kannst, solltest du einmal deine Meinung ändern«, sagte Olive. »Latein oder Griechisch, sagte er, glaube ich.«
    Was müssen die beiden für einen Briefwechsel geführt haben, dachte Homer Wells, doch laut sagte er nur:
    »Ich arbeite wirklich gerne auf der Farm.«
    »Nun, natürlich will ich dich gerne hier arbeiten lassen«, sagte Olive zu ihm. »Ich brauche deine Hilfe – besonders während der Ernte. Ich kann mir nicht vorstellen, daß du ganztags studieren würdest. Ich muß mit der High-School sprechen, aber ich bin sicher, du wärst für sie etwas wie ein Experiment.«
    »Ein Experiment«, sagte Homer Wells. War nicht für einen Beduinen alles ein Experiment?
    Er dachte an das zerbrochene Messer, das er auf dem Dach des Ciderhauses gefunden hatte. War es dort gewesen, weil er es finden sollte? Und das zerbrochene Glas, von dem ein Stück ihm in seiner Schlaflosigkeit an Wallys Fenster ein Zeichen gegeben hatte: war das Glas dort auf dem Dach, damit ihm eine Botschaft übermittelt würde?
    Er schrieb an Dr. Larch und bat um dessen Erlaubnis, in Ocean View zu bleiben. »Ich werde Biologie studieren«, schrieb Homer Wells, »und alle Naturwissenschaften. Aber muß ich Latein studieren? Niemand spricht es mehr heute.«
    Wieso ist er solch ein Alleswisser? fragte sich Wilbur Larch, der gleichwohl gewisse Vorteile darin sah, daß Homer Wells kein Latein oder Griechisch konnte, beide die Wurzel so

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