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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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übergegangen sei. Sie hatte ihm an die übliche Adresse geschrieben – eine Postfachnummer in einer Stadt namens Green, South Carolina –, und Arthur Rose hatte prompt geantwortet, sowohl mit Beileidsbekundungen als auch mit der Versicherung, daß die Mannschaft wie immer pünktlich und vollzählig eintreffen werde.
    Er hatte Wort gehalten. Außer wenn sie seine Adresse auf einen Briefumschlag schrieb oder ihm die alljährliche Weihnachtskarte schickte (»Frohe Festtage, Arthur!«), nannte Olive Worthington ihn niemals Arthur; auch sonst nannte ihn niemand Arthur. Aus Gründen, die Homer Wells niemals erklärt wurden, vielleicht aber aufgrund einer Autorität, die ein guter Mannschaftsboss aufrechterhalten mußte, war er für jedermann Mister Rose.
    Dieser Respekt kam auch darin zum Ausdruck, wie Olive ihn mit Homer Wells bekannt machte.
    »Homer«, sagte Olive, »das ist Mister Rose. Und das ist Homer Wells«, fügte Olive hinzu.
    »Freut mich, dich kennenzulernen«, sagte Mister Rose.
    »Homer ist meine rechte Hand geworden«, sagte Olive liebevoll.
    »Freut mich, das zu hören, Homer!« sagte Mr. Rose. Er schüttelte Homer kräftig die Hand, auch wenn er die Hand ungewöhnlich schnell wieder losließ. Er war nicht besser gekleidet als der Rest der Pflückermannschaft und wie die meisten schlank; doch trotz der schäbigen Kleidung strahlte er eine gewisse Würde aus. Wenn sein Jackett auch schmutzig war und zerschlissen, so war es doch eins mit Nadelstreifen und ein Zweireiher, der einmal sehr schick gewesen war, und als Gürtel trug Mr. Rose eine echte Seidenkrawatte. Auch seine Schuhe waren gut, und gute Schuhe waren lebenswichtig bei der Farmarbeit; sie waren alt, doch gut gefettet, neu besohlt, offensichtlich bequem und in gutem Zustand. Seine Socken paßten zueinander. Sein Anzugsjakkett hatte eine Uhrtasche, und darin steckte eine goldene Uhr; er sah oft und wie selbstverständlich auf diese Uhr, als sei die Zeit sehr wichtig für ihn. Er war so sauber rasiert, daß er aussah, als brauchte er sich überhaupt nie zu rasieren. Sein Gesicht war ein glatter Block schwärzester, ungesüßter Bitterschokolade, und im Mund schob er geschickt ein kleines, leuchtendweißes Pfefferminz hin und her, das ihn stets mit einem frischen und wachen Duft umgab.
    Er sprach und bewegte sich langsam – bescheiden und doch aufmerksam; in Sprache und Gebärde machte er einen bescheidenen und zurückhaltenden Eindruck. Beobachtete man ihn aber, wenn er still stand und nicht sprach, dann wirkte er außerordentlich schnell und selbstsicher.
    Es war ein heißer Spätsommertag, und der Apfelmarkt lag weit genug im Hinterland, daß ihm auch die schwache Seebrise entging, die wehte. Mr. Rose und Mrs. Worthington standen zwischen den parkenden und rollenden Vehikeln der Farm auf dem Parkplatz des Apfelmarktes und unterhielten sich; der Rest der Pflückermannschaft wartete bei heruntergekurbelten Fenstern in den Autos, und die schwarzen Finger trommelten ganze Sinfonien auf die Autotüren. Es waren siebzehn Pflücker und ein Koch – und zu Olives Erleichterung waren dieses Jahr weder Frauen noch Kinder dabei.
    »Sehr schön«, sagte Mr. Rose über die Blumen im Ciderhaus.
    Im Hinausgehen strich Mrs. Worthington über die Spielregeln, die sie an die Wand neben dem Küchenlichtschalter angenagelt hatte. »Und dies hier werden Sie allen einschärfen, bitte, nicht wahr?« bat Olive.
    »O ja, ich verstehe etwas von Spielregeln«, sagte Mr. Rose lächelnd. »Komm und schau dir die erste Pressung an, Homer« sagte Mr. Rose, während Homer die Tür des Lieferwagens für Olive aufhielt. »Du hast sicher was Besseres vor – Kino und so –, aber wenn du einmal Zeit hast, dann komm und schau zu, wie wir ein wenig Cider machen. Tausend Gallonen ungefähr«, fügte er verschmitzt hinzu; er scharrte verschämt mit den Füßen, als hätte er geprahlt. »Alles, was wir brauchen, sind acht Stunden und ungefähr dreihundert Bushel Äpfel«, sagte Mr. Rose. »Tausend Gallonen«, wiederholte er stolz.
    Auf dem Rückweg zum Apfelmarkt sagte Olive Worthington zu Homer: »Mr. Rose ist ein richtiger Arbeiter. Wenn alle so wären wie er, könnte es ihnen allen viel besser gehen.« Homer konnte ihre Stimme nicht deuten. Gewiß schwang Bewunderung darin, Sympathie – und sogar Zuneigung, aber er hörte auch das Eis, das einen althergebrachten und unverrückbaren Standpunkt starr umhüllt. 
     
    Zum Glück – für Melony – zählten zur Pflückermannschaft

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