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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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aus dem Becken abgelassen, damit es bei Regen und Schneeschmelze nicht überlief.
    Seniors kaltes Floß, nur leicht erschlafft durch die fallende Temperatur, stürmte immer noch im Schwimmbecken umher wie ein reiterloses Pferd und galoppierte, wohin der Wind es drängte. Jeden Tag betrachtete Olive das Floß vom Küchenfenster aus, und Homer fragte sich, wann sie vorschlagen würde, es wegzuschaffen.
    Als Candy einmal fürs Wochenende aus Camden nach Hause kam, nahm Homers Verwirrung darüber, was er mit ihr machen sollte, noch zu. Freitag war ein schlechter, Nicht-Fisch-nicht-Vogel-Tag. Er wollte frühzeitig zur Biologie II gehen, in der Hoffnung, Mr. Hood zu überreden, ihm entweder sein eigenes Kaninchen zum Sezieren zu überlassen oder ihm einen anderen Laborpartner als diesen Knaben Bucky zuzuweisen. Bucky schaffte es, die Innereien des Kaninchens zu zerfleddern, wenn er sie nur anfaßte, und Homer fand die unentwegte Fixierung des Flegels auf die Fortpflanzungsorgane aller Lebewesen albern und nervtötend. Bucky war neuerdings von der Tatsache fasziniert, daß Beuteltiere paarweise angeordnete Vaginen haben.
    »Zwillingsmösen! Nicht zu fassen!« sagte Bucky.
    »Richtig«, sagte Homer Wells.
    »Ist das eigentlich alles, was du sagen kannst?« fragte Bucky. »Kapierst du nicht? Wenn du ein Hamster wärst, könntest du zusammen mit deinem Kumpel eine Hamsterin ficken!«
    »Warum sollte ich so etwas tun wollen?« fragte Homer.
    »Zwei Fotzen!« sagte Bucky begeistert. »Du hast einfach keine Phantasie.«
    »Ich bezweifle, daß die Hamster selber sich für deinen Vorschlag interessieren würden«, sagte Homer Wells.
    »Das ist es ja, was ich meine, Blödmann«, sagte Bucky. »Was für eine Verschwendung – einem Hamster zwei Mösen zu geben! Hast du sie schon einmal rennen sehen in diesem kleinen Rad? Sie sind verrückt! Würdest du nicht verrückt werden, wenn du wüßtest, daß das Mädchen deiner Träume zwei Mösen hat und trotzdem kein Interesse?«
    »Das Mädchen meiner Träume«, sagte Homer Wells.
    Es war verrückt genug, fand Homer, daß das Mädchen seiner Träume zwei Menschen hatte, die sie liebten.
    Und so ging er frühzeitig zur Biologie II, um entweder ein frisches Kaninchen zu verlangen oder Ersatz für diesen besessenen Knaben namens Bucky.
    Die Klasse hatte eben Geographieunterricht, als er ankam; und als sie in die Pause stürmte, sah Homer die großen Weltkarten, die noch ausgerollt über der Tafel hingen. »Darf ich nur einen Moment, vor meiner nächsten Stunde, die Landkarten ansehen?« fragte Homer den Geographielehrer. »Ich roll sie hinterher auch wieder für Sie zusammen.«
    Und so war er allein gelassen mit seinem ersten korrekten Abbild der Welt – der ganzen Welt, wenngleich unwirklich flach vor einer Schultafel. Nach einer Weile entdeckte er Maine; er sah, wie klein es war. Dann fand er South Carolina und vertiefte sich lange in seinen Anblick, als könnten dadurch die Lebensumstände von Mr. Rose und den anderen Wanderarbeitern Gestalt annehmen. Er hatte viel reden hören von Deutschland, das leichter zu finden war als Maine; er war überrascht von der Größe Englands; Charles Dickens hatte ihm den Eindruck von etwas viel Größerem vermittelt.
    Und der Ozean, der so unermeßlich schien, wenn man ihn von Ray Kendalls Anlegestelle aus betrachtete – ach, die Ozeane der Welt waren sogar noch unermeßlicher, als er sich vorgestellt hatte. Aber St. Cloud’s, das so groß in Homers Leben aufragte, war nicht ausfindig zu machen auf der Karte von Maine. Er benutzte das Vergrößerungsglas des Geographielehrers, als er plötzlich merkte, daß die ganze Biologie-II-Klasse hinter ihm die Plätze eingenommen hatte. Mr. Hood musterte ihn befremdet.
    »Suchst du dein Kaninchen, Homer?« fragte Mr. Hood. Die Klasse fand den Witz sehr komisch, und Homer erkannte, daß er – zumindest für diesen Tag – die Chance verpaßt hatte, Bucky loszuwerden.
    »Betrachte es mal so«, flüsterte Bucky ihm gegen Ende der Stunde zu. »Wenn Debra Pettigrew zwei Mösen hätte, könnte sie dich in eine davon reinlassen. Siehst du die Vorteile?«
    Unglücklicherweise beunruhigte die Vorstellung von paarweise angeordneten Vaginen Homer für den ganzen Freitagabend, den er mit Debra Pettigrew verbrachte. Es gab einen Fred-Astaire-Film in Bath, aber das bedeutete eine Stunde Fahrt in jede Richtung, und was wußte Homer Wells schon vom Tanzen, und was ging es ihn an? Er hatte mehrere Einladungen abgelehnt, mit

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