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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Hand loszulassen. Sie wandten sich ab vom Lichtspieltheater und wanderten hinunter zum Kennebec. Candy schaute über den Fluß und lehnte sich an Homer Wells.
    »Womöglich bist du ein Sammler«, sagte sie so leise, wie sie nur sprechen konnte, ohne vom Fluß übertönt zu werden. »Womöglich bist du ein Schamhaarsammler«, sagte sie. »Du warst doch gewiß in der Lage, es zu sein.«
    »Nein«, sagte er.
    »Es ist Schamhaar«, sagte sie und wand ihre fest geschlossene Faust in seiner Hand. »Und es ist meines, richtig?«
    »Richtig«, sagte Homer Wells.
    »Nur meines?« fragte Candy. »Du hast nur meines aufbewahrt?«
    »Richtig«, sagte Homer.
    »Warum?« fragte Candy. »Lüg nicht.«
    Er hatte noch nie zu einem Menschen »Ich liebe dich« gesagt. Er war unvorbereitet auf den Kampf, der damit verbunden war, diese Worte auszusprechen. Zweifellos mißverstand er das unvertraute Gewicht, das er auf seinem Herzen lasten fühlte – er mußte die Zusammenziehung dieses großen Muskels in seiner Brust mit Dr. Larchs neuester Mitteilung in Verbindung bringen; was er fühlte, war Liebe, doch was er zu fühlen meinte, war seine Pulmonalklappenstenose. Er ließ Candys Hand los und legte beide Hände an seine Brust. Er hatte die Sternum-Schere am Werk gesehen – er kannte die einzelnen Arbeitsschritte der Autopsie –, aber noch nie war ihm das Atmen so schwer und so schmerzhaft gewesen.
    Als Candy sich nach ihm umwandte und sein Gesicht sah, konnte sie nicht anders – ihre Hände öffneten sich beide und ergriffen seine Hände, und das blonde Schamhaarbüschel flog davon; ein rauher Luftzug trug es über den Fluß hinaus, in die Dunkelheit.
    »Ist es dein Herz?« fragte ihn Candy. »O Gott, du brauchst nichts zu sagen – bitte, denk überhaupt nicht daran.«
    »Mein Herz«, sagte er. »Du weißt von meinem Herzen?«
    »Du weißt?« fragte sie. »Beunruhige dich nicht«, fügte sie leidenschaftlich hinzu.
    »Ich liebe dich«, krächzte Homer Wells, als spräche er seine letzten Worte.
    »Ja, ich weiß – denk nicht daran«, sagte Candy. »Beunruhige dich überhaupt nicht. Ich liebe dich auch.«
    »Wirklich?« fragte er.
    »Ja, ja, und Wally«, sagte sie. »Ich liebe dich, und ich liebe Wally – aber beunruhige dich nicht deswegen, denk überhaupt nicht daran.«
    »Wieso weißt du von meinem Herzen?« fragte Homer Wells.
    »Wir alle wissen davon«, sagte Candy. »Olive weiß es, und Wally weiß es.«
    Das aus ihrem Mund zu hören überzeugte Homer Wells weit mehr als die beiläufigen Bemerkungen in Dr. Larchs Brief; wieder fühlte er sein Herz unkontrollierbar rasen.
    »Denk nicht an dein Herz, Homer!« sagte Candy und umarmte ihn fest. »Beunruhige dich nicht wegen mir, oder Wally – oder wegen irgend etwas.«
    »Woran soll ich denn denken?« fragte Homer Wells.
    »Nur an gute Dinge«, sagte Candy zu ihm. Als sie ihm in die Augen sah, sagte sie plötzlich: »Ich kann es einfach nicht fassen, daß du mein Haar aufbewahrt hast!« Doch als sie sah, wie sehr er die Brauen zusammenzog, sagte sie: »Ich meine, es ist in Ordnung – ich verstehe, glaube ich. Beunruhige dich auch deswegen nicht. Es mag seltsam sein, aber sicherlich ist es romantisch.«
    »Romantisch«, sagte Homer Wells und hatte das Mädchen seiner Träume im Arm – aber eben nur im Arm. Sie fester anzufassen, war gewiß – nach allen Spielregeln – verboten, und darum versuchte er den Schmerz in seinem Herzen als das hinzunehmen, was Dr. Larch als übliche Symptome eines normalen Lebens bezeichnen mochte.
    Dies ist ein normales Leben, versuchte er zu denken, Candy umfangend, während der Abendnebel vom Fluß heraufkroch und die Dunkelheit sie umfing.
    Sie waren nicht mehr in Stimmung für ein Musical.
    »Wir können ein andermal Fred Astaire tanzen sehen«, sagte Candy gleichmütig.
    Die Sicherheit des Vertrauten zog sie zu Raymond Kendalls Anlegeplatz – sollte es ihnen zu kalt werden, während sie dort draußen saßen, dann konnten sie immer noch mit Ray Tee trinken. Sie fuhren im Lieferwagen zurück nach Heart’s Haven; niemand, der sie kannte, hatte sie kommen oder gehen sehen.
    In dem Fred-Astaire-Film futterte Mary Agnes Cork zuviel Popcorn; ihre Pflegefamilie glaubte, das arme Mädchen sei lediglich übererregt wegen ihres ersten Kinobesuchs; sie konnte nicht stillsitzen. Sie beobachtete mehr das Publikum als den Film und das Tanzen; sie erforschte jedes Gesicht im flimmernden Dunkel, hielt nach dem hübschen Mädchen und dem hübschen Jungen

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