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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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(was bedeutete, daß sie ihre Hosen unten umschlagen oder sie von Lorna kürzen lassen mußte). Melonys Hosen waren immer so eng an den Schenkeln, daß die Bügelfalten nicht lange hielten, dafür hingen sie am Gesäß sehr sackförmig – Melony war nicht fettärschig, sie hatte die unbetonten Hüften der meisten Männer. Sie hatte kleine Füße, die ihr immer weh taten.
    In fünfzehn Jahren war sie nur einmal verhaftet worden – wegen einer Schlägerei. Tatsächlich lautete die Anklage auf Körperverletzung, doch am Ende bekam sie nur eine einfache Ruhestörung angehängt. Sie war auf der Damentoilette einer Pizza-Bar in Bath gewesen, als irgendein College-Junge versucht hatte, Lorna in ein Gespräch zu verwickeln. Als er Melony ihren Platz neben Lorna an der Bar einnehmen sah, flüsterte er Lorna zu: »Ich glaube kaum, daß ich für deine Freundin einen Kerl auftreiben könnte.« Er dachte wohl an eine Verabredung zu viert.
    »Sprich lauter!« sagte Melony. »Flüstern ist unhöflich.«
    »Ich habe gesagt, ich glaube kaum, daß ich für dich einen Kerl auftreiben könnte«, sagte der Junge frech.
    Melony legte ihren Arm um Lorna und wölbte ihre Hand über Lornas Brust.
    »Ich könnte keinen Schäferhund finden, der stillhalten würde für dich«, sagte Melony zu dem College-Jungen.
    »Blöde Tucke«, sagte er, als er ging. Er dachte, er hätte leise genug gesprochen, und hatte hauptsächlich den Werftarbeitern am anderen Ende der Bar Eindruck machen wollen; er konnte nicht wissen, daß die Männer Melonys Kollegen waren. Sie hielten den College-Jungen fest, während Melony ihm mit einem eisernen Serviettenhalter die Nase brach.
    Melony schlief am liebsten mit ihrem breiten Gesicht auf Lornas straffem nacktem Bauch ein; wann Melony eingeschlafen war, merkte Lorna immer an Melonys regelmäßig werdendem Atem, den sie an ihrem Schamhaar spürte. In fünfzehn Jahren hatte es nur eine Nacht gegeben, wo Lorna ihre Freundin bitten mußte, ihren schweren Kopf beiseite zu rücken, bevor sie fest eingeschlafen war.
    »Was ist los? Hast du Krämpfe?« fragte Melony.
    »Nein, ich bin schwanger«, sagte Lorna. Melony glaubte, es sei ein Scherz, bis Lorna auf die Toilette ging, um sich zu übergeben.
    Als Lorna ins Bett zurückkehrte, sagte Melony: »Ich möchte versuchen, es zu verstehen, ganz ruhig. Wir sind wie ein Ehepaar seit fünfzehn Jahren, und jetzt bist du schwanger.« Lorna kugelte sich um eines der Kopfkissen zusammen; sie bedeckte ihren Kopf mit dem anderen Kissen. Ihr Gesicht und ihr Bauch und ihr Geschlecht waren geschützt, aber trotzdem zitterte sie; sie fing an zu weinen. »Ich schätze, was du mir sagen willst«, fuhr Melony fort, »ist, daß es, wenn Frauen miteinander ficken, viel länger dauert, bis eine von ihnen schwanger wird, als wenn eine Frau mit einem Kerl fickt. Richtig?« Lorna antwortete ihr nicht; sie schniefte nur weiter. »Zum Beispiel fünfzehn Jahre – zum Beispiel so lange. Es dauert fünfzehn Jahre, bis Frauen schwanger werden, wenn sie mit anderen Frauen ficken. Junge, was für ’ne Anstrengung«, sagte Melony.
    Sie ging zum Fenster und betrachtete die Aussicht auf den Kennebec; im Sommer war das Laub an den Bäumen so dicht, daß der Fluß kaum zu sehen war. Sie ließ sich von einer Sommerbrise den Schweiß an ihrem Nacken und auf ihrer Brust trocknen, bevor sie zu packen anfing.
    »Bitte geh nicht fort – verlaß mich nicht«, sagte Lorna; sie lag immer noch zusammengekugelt auf dem Bett.
    »Ich packe deine Sachen«, sagte Melony. »Ich bin ja nicht schwanger. Ich muß nirgendwohin gehen.«
    »Wirf mich nicht raus«, sagte Lorna jämmerlich. »Schlag mich, aber wirf mich nicht raus.«
    »Du nimmst den Zug nach Saint Cloud’s. Wenn du dort ankommst, fragst du nach dem Waisenhaus«, sagte Melony zu ihrer Freundin.
    »Es war nur ein Kerl – nur ein Kerl, und es war nur ein Mal!« schrie Lorna.
    »Nein, war es nicht«, sagte Melony. »Ein Kerl macht dich mit einem Mal schwanger. Bei Frauen dauert es fünfzehn Jahre.«
    Als sie Lornas Sachen gepackt hatte, stand Melony über das Bett gebeugt und schüttelte ihre Freundin, die sich unter den Bettdecken zu verstecken suchte. »Fünfzehn Jahre!« schrie Melony. Sie schüttelte Lorna und schüttelte sie, aber sonst tat sie ihr nichts. Sie brachte Lorna sogar zum Zug. Lorna sah ganz aufgelöst aus, dabei war das erst der frühe Morgen eines Sommertages, der ziemlich drückend zu werden versprach.
    »Ich frag nach dem Waisenhaus?« fragte

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