Gottes Werk und Teufels Beitrag
verlief.
Candy, die auf Ocean View das Geld verwaltete, behauptete, daß die Kosten für die Reparaturen des Ciderhausdaches durch Mr. Roses Zuverlässigkeit mehr als wettgemacht würden.
»Der Bursche hat etwas Zwielichtiges an sich«, sagte Wally fast vorwurfsvoll. »Ich meine, ich möchte wirklich nicht wissen, wie er es schafft, daß die Pflücker sich alle ordentlich benehmen.«
»Aber sie benehmen sich ordentlich«, sagte Homer.
»Er macht seine Arbeit gut«, sagte Candy. »Laßt ihm also seine eigenen Spielregeln.«
Homer Wells schaute weg; er wußte, daß Spielregeln für Candy so gut waren wie jeder Vertrag.
Vor fünfzehn Jahren hatten sie ihre eigenen Spielregeln aufgestellt – oder eigentlich hatte Candy sie aufgestellt (bevor Wally nach Hause kam). Sie standen im Ciderhaus (nachdem Angel geboren war, in einer Nacht, als Olive sich um Angel kümmerte). Sie hatten sich eben geliebt, doch richtig beglückend war es nicht gewesen; irgend etwas stimmte nicht. Es sollte fünfzehn Jahre lang nicht stimmen, aber in dieser Nacht hatte Candy gesagt: »Laß uns etwas beschließen.«
»In Ordnung«, sagte Homer.
»Was immer passiert, Angel gehört uns gemeinsam.«
»Natürlich«, sagte Homer.
»Ich meine, du mußt sein Vater sein – du nimmst dir alle Vaterzeit, die du brauchst –, und ich muß mir alle Mutterzeit nehmen, die ich brauche«, sagte Candy.
»Immer«, sagte Homer Wells, aber irgend etwas stimmte nicht.
»Ich meine, unabhängig davon, was passiert – ob ich bei dir bin oder bei Wally«, sagte Candy.
Homer blieb eine Weile stumm. »Also neigst du mehr zu Wally?« fragte er.
»Ich neige nirgendwohin«, sagte Candy. »Ich stehe hier vor dir, und wir einigen uns auf gewisse Spielregeln.«
»Ich wußte nicht, daß es um Spielregeln geht«, sagte Homer Wells.
»Angel gehört uns gemeinsam«, sagte Candy. »Wir beide werden mit ihm leben. Wir werden seine Familie sein. Keiner zieht jemals aus.«
»Auch wenn du bei Wally bist?« sagte Homer nach einer Weile.
»Erinnerst du dich an das, was du mir gesagt hast, als du wolltest, daß ich Angel bekomme?« fragte Candy ihn.
Homer Wells war auf der Hut. »Ich weiß nicht genau, was du meinst«, sagte er.
»Du sagtest, daß es auch dein Baby, daß es unser gemeinsames Kind sei. Daß ich nicht allein entscheiden dürfe, ihn nicht zu bekommen – das war der springende Punkt«, sagte Candy.
»Ja«, sagte Homer. »Ich erinnere mich.«
»Nun, wenn er damals unser Kind war, ist er es auch jetzt – was immer passiert«, wiederholte Candy.
»Im selben Haus?« fragte Homer Wells. »Auch wenn du zu Wally gehst?«
»Wie eine Familie«, sagte Candy.
»Wie eine Familie«, sagte Homer Wells. Es war ein Wort, das eine starke Macht über ihn hatte. Eine Waise bleibt für immer ein Kind; eine Waise verabscheut die Veränderung; eine Waise haßt es, umzuziehen; eine Waise liebt die Routine.
Seit fünfzehn Jahren wußte Homer Wells, daß es vielleicht so viele Regeln im Ciderhaus gab wie Menschen, die durch das Ciderhaus gegangen waren. Trotzdem befestigte er jedes Jahr eine neue Liste.
Seit fünfzehn Jahren hatte der Treuhänderausschuß vergeblich versucht, Dr. Larch abzulösen; sie konnten niemanden finden, der den Posten haben wollte. Es gab durchaus Menschen, die darauf brannten, sich in den undankbaren Dienst an ihren Mitmenschen zu stürzen, aber es gab exotischere Orte als St. Cloud’s, wo ihre Dienste benötigt wurden – und wo sie genausogut leiden konnten. Der Treuhänderausschuß schaffte es auch nicht, eine neue Krankenschwester anzuwerben; noch nicht einmal eine neue Verwaltungshilfe konnten sie anheuern.
Als Dr. Gingrich sich in den Ruhestand versetzen ließ – nicht aus dem Ausschuß, aus dem Ausschuß würde er niemals zurücktreten –, erwog er, den Posten in St. Cloud’s selbst zu übernehmen, doch Mrs. Goodhall wies ihn darauf hin, daß er kein Gynäkologe war. Seine psychiatrische Praxis hatte in Maine nie wirklich eingeschlagen, dennoch war Dr. Gingrich überrascht und ein wenig verletzt, aus Mrs. Goodhalls Stimme eine gewisse Schadenfreude herauszuhören. Mrs. Goodhall hatte selbst das Rentenalter erreicht, aber nichts hätte der fanatischen Gesinnung dieser Frau ferner liegen können, als in Rente zu gehen. Wilbur Larch war in den Neunzigern, und Mrs. Goodhall war besessen von der Idee, ihn in den Ruhestand zu schicken, bevor er starb; denn wenn Larch im Dienst sterben sollte, würde das bestimmt als eine Niederlage für
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