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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Verhaltensmuster, das andere hätte argwöhnisch machen können. (Als ob nicht, egal, wie sie sich verhielten, alle längst argwöhnisch gewesen wären!) Es gab keinen bestimmten Ort, wo sie sich trafen, keinen bestimmten Tag, keine bestimmte Uhrzeit. In den Wintermonaten, wenn Angel nach der Schule Wally zum Schwimmen im Hallenbad eines privaten Knabeninternats brachte, bewerkstelligten Homer und Candy mitunter einen Spätnachmittag miteinander. Doch Homers Bett, das Olives Bett gewesen und mit den üblichen Ehebett-Assoziationen belastet war, löste bei ihnen beiden widerstreitende Gefühle aus – und das Bett, das Candy mit Wally teilte, hatte seine eigenen Tabus. Selten machten sie Ausflüge. Das Ciderhaus kam überhaupt nur im Spätsommer in Betracht, nachdem es für die Pflückermannschaft bereitgemacht worden war; aber seit Angel Auto fahren gelernt hatte, konnte er sich in den Obstgärten frei bewegen – er durfte jedes der Farmfahrzeuge benutzen, wenn er nur den öffentlichen Straßen fernblieb, und sein pummeliger Kumpel Pete Hyde fuhr oft mit ihm spazieren. Homer argwöhnte, daß Pete und Angel ins Ciderhaus gingen, um heimlich Bier zu trinken, wann immer sie Herb Fowler überreden konnten, ihnen welches zu besorgen; oder daß sie dort dem Nervenkitzel der Fünfzehnjährigen frönten und rauchten. Und in der Nacht, gefangen in ihrer Schlaflosigkeit – wohin hätten Candy und Homer da noch verschwinden können, jetzt, wo auch Angel ein Schlafloser war?
    Homer Wells wußte, daß keine Panne zu befürchten war – und daß Candy bestimmt nicht schwanger würde (so gut kannte er sich immerhin aus) –, und er sah auch keine Gefahr, daß sie sich jemals würden erwischen lassen. Aber bei all der Vernunft und Diskretion stellte Homer mit Bedauern den Verlust der Leidenschaft fest, mit der er und Candy beim ersten Mal aufeinandergeprallt waren.
    Weil sie darauf beharrte (und er ihr beipflichtete, obwohl er es für gänzlich unnötig hielt), schrieb er an Dr. Larch und verlangte die notwendigen Instrumente, um für den Ernstfall gerüstet zu sein, den Candy befürchtete.
    Seit fünfzehn Jahren hatte Homer ihr gesagt: »Du wirst nicht schwanger werden. Es kann nichts passieren.«
    »Hast du alles, was du im Fall der Fälle brauchst?« fragte sie ihn immer.
    »Ja«, sagte er.
    Er hatte sich gebessert und sagte nicht mehr »Richtig«, seit Wally ihn geschlagen hatte. Und wenn ihm das Wort dennoch herausrutschte, war es häufig begleitet von einem ebenso unwillkürlichen Zusammenzucken, wie in Erwartung eines erneuten Faustschlags, wie wenn jemand, zu dem er das Wort vielleicht sagte, so aufgebracht sein könnte wie Wally – und so schnell wie Mr. Rose.
    Wilbur Larch hatte es mißverstanden, das mit den Instrumenten, die Homer verlangt hatte. Seit fünfzehn Jahren hatte er mißverstanden. Larch hatte alles prompt geschickt. Es gab ein mittelgroßes und ein großes Spekulum, die Dilatatoren mit den Douglass-Stiften – und eine Uterus-Sonde, eine Uterus-Biopsie-Kürette, zwei Hakenpinzetten, ein Satz Simsche Uterus-Küretten und eine Rheinstatersche Uterus-Spülungskürette. Larch schickte genügend Dakinsche Lösung und rotes Merthiolat (und genügend sterile Schambinden), daß Homer Wells bis ins nächste Jahrhundert hätte Abtreibungen vornehmen können.
    »Ich gehe nicht ins Geschäft!« schrieb Homer an Dr. Larch, aber Larch blieb dennoch zuversichtlich aufgrund der bloßen Tatsache, daß Homer die notwendige Ausrüstung besaß.
    Homer wickelte die Instrumente in einen ganzen Ballen Watte und Mull; dann steckte er das Bündel in den wasserdichten Beutel, der einst Angels Windeln enthalten hatte. Er verstaute die Instrumente, zusammen mit dem Merthiolat, der Dakinschen Lösung und all den Schambinden, ganz hinten in einen Wäscheschrank im Obergeschoß. Den Äther verwahrte Homer im Schuppen, bei den Rasen- und Gartengeräten. Äther war brennbar; er wollte ihn nicht im Haus haben.
    Doch bei den anderthalb Malen pro Monat, die er mit Candy zusammensein durfte, kam ihm schlagartig die Erkenntnis, daß es in ihrer Vereinigung (auch noch nach fünfzehn Jahren) eine Raserei gab, mit der sie sich aneinanderklammerten, die nicht verblaßt wäre neben ihrer ersten Begegnung im Ciderhaus. Aber nachdem Homer Wells seine ersten sexuellen Erfahrungen ausgerechnet mit Melony gemacht hatte und nur während jener kurzen Phase seines, wie es ihm schien, »Ehelebens« mit Candy in St. Cloud’s etwas von dem erlebt hatte, was

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