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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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verliebt.«
    »Ich hoffe, es macht ihn nachsichtiger, uns gegenüber«, sagte Candy zu ihm. »Das denke ich.«
    Homer Wells dagegen dachte an Mr. Rose. Wie weit würde er gehen? Welches waren seine Spielregeln?
    Als Wally sich ins Haus zurückrollte, sagte er ihm, daß es im Apfelmarktbüro Post gebe für ihn. »Ich habe dauernd vor, sie reinzubringen«, sagte Wally zu ihm, »und dann vergesse ich es wieder.«
    »Vergiß es nur weiter«, empfahl ihm Homer. »Es ist Erntezeit. Nachdem ich keine Zeit habe, die Post zu beantworten, brauche ich sie auch nicht zu lesen.«
    Schwester Carolines Brief war ebenfalls angekommen; er erwartete ihn neben Dr. Larchs Brief und einem von Melony.
    Melony hatte den Fragebogen an Homer zurückgeschickt. Sie hatte ihn nicht ausgefüllt; sie war nur neugierig gewesen und hatte ihn sich genauer ansehen wollen. Nachdem sie ihn ein paarmal durchgelesen hatte, erkannte sie – aus der Art der Fragen – daß der Treuhänderausschuß ihrer Meinung nach eine Ansammlung der üblichen Arschlöcher sei. »Die Kerle im Anzug«, nannte sie sie. »Verabscheust du nicht auch Männer in Anzügen?« fragte sie Lorna.
    »Ach, geh«, hatte Lorna erwidert. »Du verabscheust einfach die Männer, alle Männer.«
    »Die in Anzügen ganz besonders«, hatte Melony gesagt.
    Quer über den Fragebogen, der niemals ausgefüllt werden sollte, hatte Melony an Homer Wells eine kurze Nachricht geschrieben.
Lieber Sonnenstrahl, 
    ich dachte, du würdest ein Held
    werden. Irrtum. Tut mir leid
    wegen dem Leben-schwermachen.
    Alles Liebe, Melony 
    Dies sollte Homer Wells spät in der Nacht lesen, als er nicht schlafen konnte, wie üblich, und sich entschlossen hatte, aufzustehen und seine Post anzuschauen. Er sollte Dr. Larchs Brief lesen und den von Schwester Caroline, und alle Zweifel, die ihm bezüglich der Arzttasche mit den goldgravierten Initialen F. S. verblieben waren, schwanden wie das Dunkel der Nacht vor Tagesanbruch.
    Homer sah keine Veranlassung, ihnen in ihrer mißlichen Lage auch noch die Ironie des Schicksals unter die Nase zu reiben; er beschloß, Melonys Antwort auf den Fragebogen nicht an Larch oder Schwester Caroline zu schicken – was hätte es ihnen geholfen, zu wissen, daß sie sich angezeigt hatten, während sie getrost noch ein paar Jahre hätten weitermachen können? Er schickte eine einzige kurze Nachricht, adressiert an sie beide. Die Nachricht war einfach und bündig.
1. Ich bin kein Arzt.
    2. Ich glaube, der Fötus hat eine Seele.
    3. Tut mir leid. 
    »Leid?« sagte Wilbur Larch, als Schwester Caroline ihm die Nachricht vorlas. »Er sagt, es tut ihm leid?«
    »Natürlich ist er kein Arzt«, räumte Schwester Angela ein. »Es würde immer etwas geben, von dem er glauben würde, er wüßte es nicht; er würde immer befürchten, Anfängerfehler zu machen.«
    »Genau darum wäre er ein guter Arzt«, sagte Dr. Larch. »Ärzte, die glauben, sie wüßten alles, machen in der Regel die meisten Anfängerfehler. Ein guter Arzt sollte immer im Hinterkopf haben, daß es Dinge gibt, die er nicht weiß, daß er Menschenleben gefährden kann.«
    »Da haben wir’s«, sagte Schwester Edna.
    »Er glaubt, der Fötus hat eine Seele, ja?« fragte Larch. »Gut. Er glaubt, daß ein Geschöpf, das lebt wie ein Fisch, eine Seele hat – und was für eine Seele haben denn seiner Ansicht nach diejenigen von uns, die herumlaufen? Er sollte an das glauben, was er sieht! Wenn er Gott spielen und uns sagen will, wer eine Seele hat, sollte er sich um die Seelen derer kümmern, die ihm widersprechen können!« Larch tobte.
    Da sagte Schwester Angela: »Also. Wir werden’s abwarten.«
    »Ich nicht«, sagte Wilbur Larch. »Homer kann abwarten, ich nicht.« Er setzte sich an die Schreibmaschine in Schwester Angelas Büro und schrieb folgende einfache, bündige Nachricht an Homer Wells. 
1. du weisst alles, was ich weiss, plus dessen, was du dir selbst beigebracht hast. du bist ein besserer arzt als ich – und du weisst es. 
    2. du glaubst, was ich tu, wäre gott-spielen. aber du nimmst an, du wüsstest, was gott will. ist das etwa nicht gott-spielen? 
    3. mir tut es nicht leid – nichts von dem, was ich getan habe (mit ausnahme der einen abtreibung, die ich nicht ausgeführt habe). mir tut es nicht einmal leid, dass ich dich liebe. 
    Dann stapfte Dr. Larch zum Bahnhof und wartete auf den Zug; er wollte sehen, wie die Nachricht auf den Weg kam. Später gestand der Bahnhofsvorsteher, den Larch kaum je beachtete,

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