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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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namens Muddy, der mit einhundert Stichen wieder zusammengeflickt worden war, hatte gesagt, so sei es am besten. Er hatte auch gesagt: »Wenn der alte Rose mich geschnitten hätte, dann hätte ich keinen einzigen Stich gebraucht. Ich wäre verblutet, ’nen halben Liter die Stunde, oder sogar noch langsamer, und wenn es endlich vorbei gewesen wäre, dann hätte ich ausgesehen, als hätte man mich lediglich mit einer harten Zahnbürste bearbeitet.«
    Als Angel am Sonnabend den Traktor wegbrachte, sprach ihn nicht Peaches, sondern Muddy an: »Du solltest dich nicht mit Rose Rose einlassen, weißt du. Das Messergeschäft ist nicht dein Ding, Angel«, sagte Muddy und legte dem Jungen den Arm um die Schulter und drückte ihn. Muddy mochte Angel; dankbar erinnerte er sich daran, wie Angels Vater ihn – rechtzeitig – ins Spital von Cape Kenneth gebracht hatte.
    Beim nächsten spätabendlichen Apfelpressen saß Angel mit Rose Rose auf dem Ciderhausdach und erzählte ihr alles über das Meer: die sonderbare Müdigkeit, die einen an der Küste überfällt, das Gewicht in der Luft, der Dunst um die Mitte eines Sommertages, die Art, wie die Brandung scharfe Kanten glättet. Er erzählte ihr die ganze, vertraute Geschichte. Wie lieben wir es doch, Dinge für andere Menschen zu lieben; wie lieben wir es, wenn andere die Dinge durch unsere Augen lieben!
    Doch Angel konnte nicht als Geheimnis hüten, was ihm wie eine monströse Untat von Mr. Rose vorkam. Er erzählte die ganze Geschichte seinem Vater und Candy und Wally.
    »Er hat sie geschnitten? Absichtlich?« fragte Wally Angel.
    »Ohne Zweifel«, sagte Angel. »Ich bin mir hundert Prozent sicher.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, daß er das machen konnte, mit seiner eigenen Tochter«, sagte Homer Wells.
    »Ich kann gar nicht fassen, daß wir immer sagen, wie wunderschön es ist: daß Mister Rose alles so schön im Griff hat«, sagte Candy schaudernd. »Wir müssen etwas unternehmen.«
    »Müssen wir wirklich?« fragte Wally.
    »Nun, wir können nicht nichts tun!« sagte Candy zu ihm.
    »Können wir schon«, sagte Wally.
    »Wenn ihr mit ihm redet, wird er sie noch mehr verwunden«, sagte Angel zu ihnen. »Und sie wird wissen, daß ich es euch gesagt habe. Ich möchte euren Rat, ich möchte nicht, daß ihr etwas tut.«
    »Ich dachte nicht daran, mit ihm zu reden«, sagte Candy ärgerlich, »sondern mit der Polizei. Man kann doch nicht die eigenen Kinder so zurichten!«
    »Aber wird es ihr helfen – wenn sie Schwierigkeiten bekommt?« fragte Homer.
    »Genau«, sagte Wally. »Wir helfen ihr nicht, wenn wir zur Polizei gehen.«
    »Oder mit ihm sprechen«, sagte Angel.
    »Das heißt also mal wieder abwarten«, sagte Homer Wells. In fünfzehn Jahren hatte Candy gelernt, das zu überhören.
    »Ich könnte sie bitten, bei uns zu bleiben«, schlug Angel vor. »Das würde sie von ihm wegbringen. Ich meine, sie könnte einfach hierbleiben, auch nach der Ernte.«
    »Aber was sollte sie tun?« fragte Candy.
    »Es gibt keine Arbeit hier«, sagte Homer Wells. »Nicht nach der Ernte.«
    »Es ist in Ordnung, die Leute pflücken zu lassen«, sagte Wally vorsichtig. »Ich meine, jeder akzeptiert sie, aber sie sind nur Wanderarbeiter – sie sind auf der Durchreise. Sie sollen weiterziehen. Ich glaube nicht, daß eine farbige Frau mit einem unehelichen Kind allzu willkommen sein wird in Maine. Nicht, wenn sie bleibt.«
    Candy wurde wütend. »Wally, in all den Jahren, die ich hier bin, habe ich nie gehört, daß jemand Nigger oder sonst etwas Häßliches zu ihnen gesagt hat. Wir sind hier nicht im Süden«, fügte sie stolz hinzu.
    »Ach, geh«, sagte Wally. »Wir sind nur deshalb nicht wie im Süden, weil sie nicht hier wohnen. Laß einen von ihnen tatsächlich hier wohnen, dann wirst du schon sehen, was man ihnen hinterherruft.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Candy.
    »Dann bist du dumm«, sagte Wally. »Stimmt’s, alter Junge?« fragte Wally Homer.
    Aber Homer Wells beobachtete Angel. »Bist du verliebt in Rose Rose, Angel?« fragte Homer seinen Sohn.
    »Ja«, sagte Angel. »Und ich glaube, sie mag mich – wenigstens ein bißchen.« Er stellte seinen Teller weg und ging hinauf in sein Zimmer.
    »Er ist verliebt in das Mädchen«, sagte Homer zu Candy und Wally.
    »Klar wie Kloßbrühe, alter Junge«, sagte Wally. »Wo kommst du denn her?« Er rollte sich hinaus auf die Terrasse und drehte ein paar Runden um den Swimmingpool.
    »Was denkst du darüber?« fragte Homer Candy. »Angel ist

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