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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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der auch nur einen Funken Verstand besaß, sagte vor Dr. Larch etwas gegen die Abtreibung – sonst mußte er sich einen detaillierten Bericht über die gesamten sechs Wochen anhören, die Homer Wells bei der Familie in Three Mile Falls verbracht hatte; denn das war für Larch die einzige Möglichkeit, die Frage zu diskutieren – auf eine Debatte ließ er sich nicht ein. Er war Geburtshelfer, aber bei Bedarf – und wenn es ungefährlich war – trieb er auch ab.
    Als Homer vier war, hatte er keine Alpträume mehr – jene Alpträume, die selbst die tiefsten Schläfer in St. Cloud’s aufweckten und einen Nachtwächter zu kündigen bewogen (»Mein Herz«, sagte er, »übersteht keine weitere Nacht mit diesem Jungen«) und die sich Dr. Wilbur Larch so tief eingeprägt hatten, daß er angeblich noch jahrelang im Schlaf Babys schreien hörte und sich herumwälzte und sagte: »Aber Homer, ist ja schon gut, Homer.«
    In St. Cloud’s hörte natürlich jeder im Schlaf Babys schreien, aber kein Baby erwachte je mit einem Mordsgezeter vom Kaliber von Homer Wells.
    »Gott, er schreit wie am Spieß«, pflegte Schwester Edna zu sagen.
    »Als würde er mit einer Zigarette versengt«, pflegte Schwester Angela zu sagen.
    Aber nur Wilbur Larch wußte, wie es wirklich war – diese Art, wie Homer Wells erwachte und (mit seinem lauten Erwachen) alle anderen weckte. »Als ob er beschnitten würde«, schrieb Dr. Larch in sein Tagebuch. »Als ob jemand seinen kleinen Penis beschnippelte und immer wieder schnippelte und schnippelte.« 
     
    Die dritte Pflegefamilie, die an Homer Wells scheiterte, war eine Familie von so seltenen und vorbildlichen Qualitäten, daß es töricht wäre, die Menschheit am Beispiel dieser Familie zu messen. Solch eine gute Familie waren sie und so vollkommen, denn sonst hätte Dr. Larch ihnen Homer nie anvertraut. Nach der Familie aus Three Mile Falls war Dr. Larch bei Homer Wells besonders vorsichtig.
    Professor Draper und seine Frau waren fast vierzig Jahre verheiratet und lebten in Waterville, Maine. Waterville war bei Homers Ankunft 193– als College-Stadt nichts Berühmtes; aber verglichen mit St. Cloud’s oder Three Mile Falls war Waterville eine Gemeinde von moralischen und sozialen Giganten. Obwohl noch im Hinterland, war es doch beträchtlich höher gelegen – die Berge waren nicht weit, von denen man auch eine nennenswerte Aussicht genoß; wer in den Bergen (oder am Meer oder in der Ebene oder auf offenem Farmland) lebt, genießt den Vorteil, daß er tagtäglich eine Aussicht vor Augen hat. Das Leben in einer Gegend, wo man gelegentlich weit in die Ferne blicken kann, bietet der Seele eine Perspektive von wohltuend weitläufiger Art – so jedenfalls dachte Professor Draper; er war der geborene Lehrer.
    »Unbestellte Talgründe«, pflegte er zu dozieren, »und damit meine ich dichte, geduckte Wälder, die einem die Aussicht verstellen, behindern die emporstrebenden Eigenschaften der menschlichen Natur und fördern kleinliche und niedrige Instinkte.«
    »Na, Homer«, pflegte Mrs. Draper zu sagen. »Der Professor ist der geborene Lehrer. Bei ihm darfst du nicht alles für bare Münze nehmen.«
    Jeder nannte sie Mom. Niemand (auch seine erwachsenen Kinder und seine Enkel nicht) nannte ihn anders als den Professor. Selbst Dr. Larch kannte seinen Vornamen nicht. War auch sein Ton professoral, manchmal sogar offiziös, so war er doch ein Mann von recht durchschnittlichen Gewohnheiten und Leidenschaften und witzigem Gehabe.
    »Nasse Schuhe«, sagte der Professor einmal zu Homer, »gehören in Maine dazu. Sie sind ein Faktum. Deine Methode, Homer, nasse Schuhe auf ein Fensterbrett zu stellen, wo sie womöglich beim schwachen, wiewohl seltenen Erscheinen der Sonne von Maine trocknen könnten, zeugt von auffallend positivem Denken und einem unbeugsamen Optimismus. Wohlgemerkt«, fuhr der Professor fort, »zieht die, im übrigen wetterunabhängige, Methode, die ich bei nassen Schuhen empfehlen möchte, eine zuverlässigere Wärmequelle in Maine heran: nämlich die Heizung. Wenn du bedenkst, daß die Tage, an denen die Schuhe naß werden, in der Regel auch Tage sind, an denen wir die Sonne nicht zu Gesicht bekommen, wirst du erkennen, daß die Heizungsmethode gewisse Vorzüge hat.«
    »Nicht alles für bare Münze nehmen, Homer«, sagte Mrs. Draper zu dem Jungen. Sogar der Professor nannte sie Mom; sogar Mom nannte ihn Professor.
    Wenn Homer Wells auch fand, daß die Gespräche des Professors von platten

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