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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Mitglied im Vorstand des Haven-Club; er war der einzige, dessen Sitz im Vorstand niemals zur Wahl gestellt wurde – und der einzige Einwohner von Heart’s Rock, der Mitglied im Haven-Club war. Da seine Obstgärten die halbe Einwohnerschaft von Heart’s Rock beschäftigten, genoß Wallace Worthington den seltenen Vorzug, in beiden Städten geachtet zu sein.
    Wallace Worthington hätte Wilbur Larch an jemanden erinnert, den er bei den Channing-Peabodys getroffen haben könnte, wo Dr. Larch seine zweite Abtreibung durchführte – die Reiche-Leute-Abtreibung, wie Larch sie bei sich nannte. Homer Wells wäre Wallace Worthington aufgefallen, weil er wie ein wirklicher König Neuenglands aussah.
    Man hätte in Heart’s Rock oder in Heart’s Haven leben und mit der Sozialgeschichte der Städte vertraut sein müssen, um zu wissen, daß Worthingtons Frau nicht mit jeder Faser eine Königin war; gewiß, sie sah aus wie eine Königin und verhielt sich dementsprechend – mit jeder Faser. Doch die Einwohner wußten, daß Olive Worthington – wiewohl in Heart’s Haven geboren – aus dem falschen Teil der Stadt kam. So komplex ist die Gesellschaft, daß sogar Heart’s Haven einen falschen Teil hat.
    Olive Worthington war eine geborene Alice Bean; für die Eingeweihten war sie Bruce Beans (des Muschelsammlers) Tochter; sie war Bucky Beans (des Brunnenbauers) kluge Schwester – was durchaus nicht heißen soll, daß Bucky unklug gewesen wäre; er war immerhin klüger als sein Vater Bruce. Brunnenbauen (das Handwerk von Schwester Angelas Vater; das Handwerk, das Homer Wells seinen Namen gab) war gutbezahlte Arbeit; Brunnenbauen schlägt Muschelsammeln nach Dollars und Meilen, wie man in Maine sagt.
    Olive Worthington war damit aufgewachsen, Muscheln von der Ladefläche eines Lieferwagens zu verkaufen, von der das Eiswasser tröpfelte. Ihre Mutter Maud sprach kein Wort; sie hatte einen gesprungenen Schminkspiegel auf einem Hackblock an der überladenen Ecke einer Küchentheke. Zwischen ihre Kosmetika, von denen sie fasziniert war, verirrten sich immer wieder auch einzelne Muscheln. Manchmal hatte sich die schwarze knirschende Haut vom Rücken einer geputzten Muschel gelöst und klebte an ihrem Rouge-Fläschchen. Sie starb an Lungenkrebs, als Olive noch die High-School besuchte.
    Alice Bean wurde eine Worthington, indem sie Wallace Worthington heiratete; eine Olive wurde sie, indem sie ihren Namen in der Stadtkanzlei von Heart’s Haven ändern ließ. Es war ein ordnungsgemäßer Antrag auf Namensänderung, den sie ausfüllte – was einfach war, denn um aus Alice Olive zu machen, mußten lediglich zwei Buchstaben ausgetauscht werden. Die Leute liebten es ohne Ende, mit dem Namen Olive zu spielen, als bewegten sie die lästigen Steine dieser sonderbaren Frucht im Munde; und es gab viele, die sie hinter ihrem Rücken immer noch Alice Bean nannten, auch wenn nur ihr Bruder Bucky ihr Alice ins Gesicht sagen durfte. Alle anderen hatten genügend Respekt vor ihr, um Olive zu sagen, wo sie das nun mal hören wollte, und man war sich einig, daß sie, obwohl sie einen Worthington geheiratet und folglich Äpfel und Geld erheiratet hatte, mit Wallace wirklich keinen guten Fang gemacht hatte.
    Wallace Worthington war ein munterer, freundlicher und großzügiger Mensch, stets zu Späßen aufgelegt, und wußte das Leben zu genießen. Er bewunderte Olive und alles an ihr – ihre grauen Augen und ihr aschblondes Haar, das allmählich ins Perlmuttgraue überging, und ihren am College erworbenen neubritischen Akzent (der im Haven-Club oft nachgeahmt wurde). Bruder Buckys Erfolg als Brunnenbauer hatte für Olives College-Akzent bezahlt, ohne den Wallace Worthington vielleicht nicht verführt gewesen wäre, von ihr Notiz zu nehmen. Vielleicht tolerierte sie aus alter Dankbarkeit, daß Bucky sie weiterhin Alice nannte. Sie nahm sogar seine regelmäßigen Auftritte in Ocean View Orchards hin – seine Stiefel immer voller Schlamm und lehmfarbenem Dreck aus den Tiefen der Erde, jenem Zeug, das nur Brunnenbauer finden. Olive bemühte sich, nicht zusammenzuzucken, wenn er in seinen Stiefeln durchs Haus stapfte und sie »Alice Baby« nannte, und an heißen Sommertagen pflegte er mit all seinen Kleidern in den Swimmingpool zu tauchen, nachdem er nur seine Brunnengräberstiefel vor dem klaren Wasser abgestellt hatte (das er, in atlantischem Aufruhr schwappend und lehmfarben an den Rändern, wieder verließ). Bucky konnte im Swimmingpool einen Rand

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